Nachwuchsförderung:Die Freude des Anfangs

Die Geigerin und Pianistin Julia Fischer hat die "Kindersinfoniker" gegründet - nun haben die jungen Künstler bewiesen, wie viel Spaß das Musizieren machen kann

Von Reinhard Palmer, Gauting

Ein Orchester hat schon so seine Eigendynamik. Hier walten viele Kräfte, schließlich sind alle Mitglieder die unterschiedlichsten Individuen. Aber alle agieren mit dem Wissen: Ein gutes Ergebnis kommt nur zustande, wenn sich alle diszipliniert unterordnen und gemeinsame Sache machen. Es ist wohl die effektivste Form, sich Teamfähigkeit und soziale Kompetenz anzueignen. Oder wie es Julia Fischer aufs Orchester bezieht: "Sensibilität, Verantwortung und Respekt seinem Mitspieler gegenüber".

Nachwuchsförderung: Bei einem Konzert im Bosco zeigen die jungen Menschen, was sie gelernt haben.

Bei einem Konzert im Bosco zeigen die jungen Menschen, was sie gelernt haben.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Motivation der Geigerin und Pianistin Julia Fischer, die Kindersinfoniker zu gründen, und für die Eltern, ihre Kinder mitspielen zu lassen, peilt allerdings auch andere Qualitäten an. Etwa besondere Fortschritte in der Beherrschung des Instruments oder "die Freude am gemeinsamen Musizieren", wie auf der Internetseite des Kinder- und Jugendorchesters zu lesen ist. Und vom Letzteren war viel zu spüren bei dem Auftritt der Kindersinfoniker im Gautinger Bosco. Mit dem Komponisten, Pianisten und Kapellmeister Johannes X. Schachtner sowie dem Pianisten und Kapellmeister Henri Bonamy hat das Unternehmen gleich drei künstlerischen Leiter, die gewiss viel zu tun hatten, um die Werke so einzustudieren, dass sie auch auf der Bühne vor vollem Saal vorgetragen werden können. Fischer bemühte sich in ihrer Moderation um lockere Atmosphäre, um etwas von der Aufregung der Sechs- bis Vierzehnjährigen rauszunehmen. Das gelang auch weitgehend, denn die Kinder wirkten selbstsicher und konzentriert, selbst wenn sie solistisch aufzutreten hatten.

Nachwuchsförderung: Sie beweisen dabei Gemeinschaftssinn, Konzentrationsvermögen und unbändige Lust am Musizieren.

Sie beweisen dabei Gemeinschaftssinn, Konzentrationsvermögen und unbändige Lust am Musizieren.

(Foto: Arlet Ulfers)

20 Instrumentalisten hätten ins Orchester aufgenommen werden sollen, doch beim großen Andrang sei man auf 35 hochgegangen, berichtete Fischer. Wie üblich fehlt es nicht an Geigern und Cellisten, während die Bratschisten zu viert die Stellung halten müssen. Auch im Kontrabass gibt es noch eine Schwachstelle, daher sprang der vielseitige Musiker aus Panama Juan Sebastián Ruiz zur Unterstützung ein. Und noch etwas fiel auf: Die Anzahl der Mädchen und Jungen halten sich ziemlich die Waage, was bei der Überzahl der Instrumentalschülerinnen sonst eher selten gelingt. Von der Musikliteratur her ist die Auswahl relativ begrenzt, wenn man sich noch nicht an die Neue Musik heranwagen kann oder will. Mit einem Konzert für vier - hier souverän gespielt - Violinen in h-Moll von Vivaldi konnten die Grundschüler schon einige orchestrale Qualitäten demonstrieren. So etwa straffes Tempo in den Allegro-Sätzen, generell eine recht satte Klangsub-stanz sowie Beachtung des Dirigenten. Letzteres mag komisch klingen, ist aber bei Kindern schon eine Herausforderung in Sachen Multitasking. Die Aufmerksamkeit der Kinder über eine so lange Strecke hinweg hoch zu halten, ist nicht minder schwierig. Man merkte im Schlusssatz denn auch gewisse Ermüdungserscheinungen. Doch die finalen Passagen kamen stets fulminant, in guter Intonation und mit entsprechender Schlusswirkung. So gelang es, immer einen guten Eindruck zu hinterlassen, auch wenn das Zusammenspiel mal etwas aus dem Ruder lief. Nicht den Kopf zu verlieren, sich zusammenzuraufen und wieder den Anschluss zu finden, gehört gewiss zu den Fähigkeiten, die man erst erlernen muss. Das galt auch für einzelne Mitspieler der Gymnasial-Sektion, die mit Bachs Konzert für zwei Klaviere und Streicher c-Moll BWV 1060 schon um einiges sicherer zu hören waren. Zumal in Sachen Musikalität und Ausdruck hier weit mehr möglich war. Etwa mit festlichem Klang im Kopfsatz. Vor allem aber mit dem Adagio-Mittelsatz, der leicht einen gewissen Zauber ausbreitete.

Nachwuchsförderung: Es geht um Musik, aber auch um das Erlernen von sozialen Kompetenzen und Teamfähigkeit bei den "Kindersinfonikern", die die Musikerin Julia Fischer ins Leben gerufen hat.

Es geht um Musik, aber auch um das Erlernen von sozialen Kompetenzen und Teamfähigkeit bei den "Kindersinfonikern", die die Musikerin Julia Fischer ins Leben gerufen hat.

(Foto: Arlet Ulfers)

Nach der Pause mit geeinten Kräften bot dann die Großbesetzung echte orchestrale Fülle. Dabei im Klassiker der Kinderliteratur: Leopold Mozarts Kinder-Sinfonie, in der auch Julia Fischer zum Instrument griff. Allerdings als Kuckuck zur entsprechenden Kinderflöte. Rollenwechsel erprobte das Orchester mit Reineckes Weihnachts-Sinfonietta für Klavier in der Bearbeitung für Streichorchester von Schachtner. Die thematisch-melodische Führung durch die Stimmen wandern zu lassen, gelang sicher und klar. Viel Spaß schienen die jungen Musiker mit der Capriol Suite von Peter Warlock zu haben, die mit den sechs unterschiedlichsten Tänzen vor allem Charakterwechsel verlangte. Hier konnte die Wendigkeit der Jungmusiker trainiert werden, denn die Wendungen konnten schon recht kontrastreich ausfallen. So folgte auf rhythmische Pointierung mit Schwergewicht eine melancholisch fließende Melodik in ausgeprägter Atmosphäre, auf synkopierte Beschwingtheit motorisch pochende Straffheit, auf einfühlsam fließende Lyrik ein musikantisches Polten in heiterer Ausgelassenheit. Letzteres ein wirkungsvolles Finale, in dem die Kinder und Jugendlichen ihre Anspannung und Konzentration allmählich in Musizierlaune lockern durften.

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