Süddeutsche Zeitung

MVV in Starnberg:Manche Schüler fahren überall kostenlos, andere müssen immer zahlen

Früher haben Kinder mit langen Schulweg nur die Fahrkarte zum Unterricht erstattet bekommen, jetzt gibt's das 365-Euro-Jahresticket für den ganzen MVV. Die mit einer kürzeren Anfahrt müssen weiter stempeln.

Von Carolin Fries

Morgens mit dem Bus in die Schule, am Nachmittag mit der S-Bahn zum Sport und danach mit der U-Bahn in die Innenstadt ins Kino. Bislang durften Schüler im Landkreis von diesen Strecken nur die zur Schule kostenlos fahren - und auch nur dann, wenn die Schule weiter als drei Kilometer vom Wohnort entfernt liegt. Seit Beginn des Schuljahres erhalten diese Schüler das neue 365-Euro-Ticket und fahren das ganze Jahr im gesamten MVV rund um die Uhr umsonst, während die anderen Kinder in die Röhre schauen - beziehungsweise in die Tasche greifen und die 365 Euro selbst bezahlen müssen.

Für Kreisrat Oswald Gasser (FDP) stellt das eine "Gerechtigkeitslücke" dar. Er fordert einen Ausgleich, "ein Zuckerl", wie er es nennt, für die Kinder und Jugendlichen, die aufgrund ihres Wohnorts oder der Schulwahl weiterhin stempeln müssen. Auch der Landtagsabgeordnete Florian von Brunn (SPD) hält die neue Regelung für ungerecht.

Im Landkreis gibt es etwa 18 000 Schüler, die das 365-Euro-Ticket nutzen dürften. Nur ein Bruchteil bekommt es aus öffentlichen Mitteln erstattet. Denn die Kostenfreiheit des Schulwegs gilt nur für jene, die mehr als drei Kilometer von der nächstgelegenen öffentlichen Schule entfernt wohnen. Für Schüler an weiterführenden Schulen wie Realschule, Gymnasium, BOS und FOS zahlt in diesem Fall der Landkreis, für Grund- und Mittelschüler die jeweiligen Städte und Kommunen. Nicht immer handelt es sich dabei um MVV-Fahrkarten, mitunter werden auch DB-Tickets bezahlt oder aber private Schulbusse. Im Landkreis Starnberg etwa nutzen Grund- und Mittelschüler laut Susanne Münster in Gauting und Starnberg den Nahverkehr. Die Starnberger Schüler bekommen nun auch das "All-inclusive"-Ticket - egal, wie weit weg sie von der Schule wohnen.

Der Landkreis hat bereits im April zugesagt, den 4000 Schülern, für die er zuständig ist, das 365-Euro-Ticket zur Verfügung zu stellen, weil es "das billigste Ticket ist", wie Verkehrsmanagerin Susanne Münster sagt. Demnach spare sich der Landkreis künftig jedes Jahr bedingt durch die Tarifreform und das 365-Euro-Ticket knapp 400 000 Euro - einerseits. Andererseits fließen 1,2 Millionen Euro als Ausgleichszahlung für die Reform und das Azubi-Ticket an den MVV. Unterm Strich also doch Mehrkosten, die der Landkreis aber gerne in die "Mobilität und Weiterentwicklung der Jugendlichen" investiere.

Die Rückmeldungen seien durchweg positiv, so Münster. "Die Schüler finden das einfach nur klasse." Zumindest jene, die profitieren. Angeschmiert ist wiederum der Freund, der nur ein paar hundert Meter die Straße rauf wohnt oder aber die kleine Schwester, die anders als der Bruder nicht das Wirtschaftsgymnasium im Landkreis München sondern das Gymnasium am Ort besucht. Fährt die Familie am Wochenende in die Stadt, fährt nur ein Kind umsonst.

Kreisrat Gasser stört, dass die Förderung ohne Berücksichtigung sozialer Gegebenheiten erfolgt, "die Tochter des Bankdirektors und der Zahnarztsohn also auch das Ticket bekommen". Kinder von Sozialhilfeempfängern werden hier nicht berücksichtigt. Sie können erst von neun Uhr morgens an vergünstigt mit dem Sozialticket fahren. Gasser will deshalb einen pauschalen Ausgleich. Sein Vorschlag: Wer das Ticket aus eigener Tasche zahlt, bekommt vom Kreis 100 Euro Zuschuss. Dann wäre es zwar immer noch nicht gerecht, aber ein bisschen gerechter.

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Quelle:
SZ vom 23.09.2020
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