MVV:Neuer Starnberger Landrat will an 365-Euro-Ticket festhalten

Starnberg: LRA neuer Landrat - Stefan Frey

Stefan Frey nimmt im Landratsamt schon jetzt an Dienstbesprechungen teil.

(Foto: Nila Thiel)

Stefan Frey widerspricht dem Noch-Amtsinhaber und CSU-Parteifreund. Karl Roth hat wegen der Corona-Krise eine Verschiebung der günstigen Jahreskarte für Jugendliche ins Gespräch gebracht.

Interview von Michael Berzl

In schwierigen Zeiten übernimmt der 44-jährige Stefan Frey den Posten des Starnberger Landrats. Der Nachfolger von Karl Roth (beide CSU) wird nach seiner Amtseinführung im Mai vor allem mit den Auswirkungen der Corona-Krise zu kämpfen haben. Im Interview mit der SZ spricht der Jurist über seine Erfahrungen mit Krisenmanagement, über Vorhaben, die trotz allem noch auf der Tagesordnung stehen, und er pocht anders als sein Vorgänger darauf, dass der Landkreis am 365-Euro-Jahresticket für Jugendliche im ganzen MVV festhält.

Herr Frey, wir führen dieses Interview am Telefon. Sie arbeiten zu Hause. Wie geht es Ihnen im Home-Office?

In dem Umfang ist das eine neue Erfahrung für mich. Ich sitze am Laptop und arbeite mit in der Krisenkoordinierung des Innenministeriums. Jede Minute kommen Anfragen von Bürgern und Unternehmen. Außerdem kommuniziere ich mit meinen Mitarbeitern über E-Mail und Telefon. Das funktioniert erstaunlich gut.

Was genau haben Sie da zu tun? Ein Beispiel bitte.

Eine Frage ist zum Beispiel, ob Kfz-Werkstätten offen haben dürfen oder nicht. Oder die Frage, wie das mit dem Sitzen auf den Parkbänken ist, warum mancherorts Polizisten kontrollieren und mancherorts nicht. Oft geht es darum, Verhaltenstipps zu geben, was man machen soll und was nicht. Am Samstag zum Beispiel habe ich den Facebook-Account des Innenministeriums mit bedient und Fragen beantwortet.

Und nebenher kümmern Sie sich auch noch um Ihre Familie.

Meine Kinder sind am Vormittag hier bei mir und machen Hausaufgaben. Auch in den Ferien bekommen sie kleine Aufgaben und spielen dann. Die sind wirklich sehr brav, aber langweilig wird einem da nicht. Meine Frau ist am Vormittag unterwegs. Sie ist Amtsrichterin in Starnberg und für Betreuungsrecht zuständig. Sie muss Leute begutachten und Beschlüsse fassen. Da geht es zum Beispiel um Unterbringungen.

Wenn Sie Ihr Amt antreten, ist die Krise noch lange nicht ausgestanden, dann stecken wir mittendrin. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Indem ich Landrat Karl Roth über die Schulter schaue. Ich nehme zum Beispiel an Dienstbesprechungen mit den Bürgermeistern teil oder an Sitzungen der Führungsgruppe Katastrophenschutz. Da geht es darum, wie es in den Krankenhäusern läuft oder mit den Transporten. Außerdem führe ich bereits Gespräche mit Hilfsorganisationen, Wirtschaftsfachleuten und bearbeite zahlreiche Anfragen, in denen Menschen mit konkreten Anliegen um Hilfe bitten.

Eigentlich haben Sie sich darauf eingestellt, Schulen zu bauen, die Krankenhaus-Landschaft neu zu organisieren, Gewerbegebiete auszuweisen. Jetzt haben Sie es wegen der Coronakrise mit einer ganz anderen Agenda zu tun.

Ja, das sind akute Aufgaben, denen man sich stellen muss, wirkliche Krisenbewältigung. Teilweise zeigt sich erst von einem Tag auf den anderen, was die nächsten Aufgaben sind. Oft müssen wir in kurzer Zeit Antworten finden. Da kann man nicht lange fackeln. Da muss man schauen, wie wir zurecht kommen etwa mit unseren Krankenhauskapazitäten, dass die Versorgung funktioniert. Und wir müssen auch schauen, dass das normale Leben aufrechterhalten bleibt, dass wir die Sorgen und Nöte der Menschen aufnehmen und Rede und Antwort stehen.

Es wird wohl einiges nicht so kommen, wie gedacht. Eines der ersten Vorhaben, das den wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus zum Opfer fallen könnte, ist das 365-Euro-Jahresticket im MVV, das für 360 000 Schüler und Auszubildende sehr attraktiv wäre. Der Landkreis Starnberg denkt darüber nach, aus finanziellen Gründen auszusteigen. Wie stehen Sie dazu?

Der Beschlussvorschlag der Landkreisverwaltung lautete, das Thema zu vertagen, um einen Blick in die Finanzen zu werfen. Ich habe dafür Verständnis, und wir müssen uns das sicher gut überlegen, ich bin aber der Meinung, dass man so eine Entscheidung nur im Benehmen mit den anderen Beteiligten treffen kann. Sprich: mit der Staatsregierung und mit den beteiligten Landkreisen und dass man letztlich keinen Alleingang wagen sollte.

Kein Alleingang. Das würde bedeuten, kein Ausstieg, wie ihn Landrat Roth nahegelegt hatte. Vom Landkreis Starnberg hängt es auch ab, ob es dieses Angebot wie geplant von August an gibt.

Ja. Meine Haltung ist, dass wir an der Einführung dieses Tickets festhalten sollten, dass wir unseren Beitrag dazu leisten sollten. Wir sollten da nicht außen vor bleiben.

Es gab zum Teil heftige Reaktionen und deutliche Kritik, als bekannt wurde, dass der Landkreis Starnberg einen Ausstieg zumindest erwägt.

Das ist richtig, aber ich fand diese Reaktionen unverständlich. Der Kreistag hat ja in der Sache noch nicht entschieden, sondern seine Entscheidung vertagt, um zu schauen, ob wir uns das leisten können. Diese Ehrenrunde, wie ich das nenne, ist auch richtig gewesen. Im Endeffekt sollten wir aber eine gemeinsame Linie einschlagen zusammen mit den anderen Landkreisen und mit der Staatsregierung.

Das Ticket soll also kommen. Was fällt sonst Corona zum Opfer? Was muss runter von der Tagesordnung?

Es bleibt alles auf der Tagesordnung. Ich bin nicht jemand, der vorschnell sagt: Jetzt streichen wir dieses oder jenes Projekt. Ich möchte erst mal schauen, was wir noch realisieren können. Die Frage ist, wie unser Haushalt aussieht und wie die Steuerschätzungen ausfallen. Ich muss mir ganz genau die Finanzlage anschauen und bei jedem einzelnen Projekt prüfen, wo wir stehen und wie wir es schaffen könnten. Außerdem gibt es Projekte, bei denen wir gar nicht aussteigen können. Zum Beispiel der Anbau des Landratsamtes, der ist in vollem Gange.

Eines der großen und umstrittenen Themen im Landkreis ist die geplante Ausweisung von großen Gewerbegebieten in Schorn und Unterbrunn. Brauchen wir die überhaupt angesichts einer bevorstehenden Rezession - in einer Zeit, in der Firmen eher ums Überleben kämpfen, als an Expansion zu denken?

Das ist eine Frage, die vor allem die Kommunen beantworten müssen, von denen letztlich die Gewerbegebietsplanungen ausgehen. Das gilt auch für Starnberg und Gauting. Der Landkreis ist eingebunden in eine Genehmigungsplanung, etwa bei der Befreiung vom Landschaftsschutz, die sowohl in Schorn als auch im Unterbrunner Holz notwendig wäre, und als Vermittler. Für mich käme es aber auch darauf an, was unsere Unternehmen und die Wirtschaftsverbände denken. Die sollten eingebunden sein.

Es gibt eine Zeit nach der Krise und es gibt auch jetzt ein Leben neben oder trotz Corona. Welche Themen sind bei Ihnen oben auf der Prioritätenliste?

Einmal möchte ich das Thema Verkehr mehr beleuchten. Da plane ich eine Verkehrskonferenz, um zu schauen, was wir noch tun können, um für die Mobilität im Landkreis zu sorgen. Beim Thema Wohnungsbau würde ich gerne mit den Gemeinden und allen Beteiligten sprechen, wo wir Initiativen für mehr bezahlbaren Wohnraum ergreifen können. Der dritte Punkt ist das Thema Ehrenamt. Wir sehen jetzt in der Krise, wie viel Verantwortung auf den Schultern von Ehrenamtlichen ruht. Daher möchte ich beim Landratsamt eine koordinierende Stelle einrichten, die sich um deren Anliegen kümmert. Dort sollen Vereine und Verbände einen Ansprechpartner haben, an den sie sich wenden können.

Andechs Klostergasthof CSU

Stefan Frey mit seiner Ehefrau Ismene und den Kindern (v.l.) Carla, Marco und Clemens.

(Foto: Nila Thiel)
Durch und durch Starnberger

Stefan Frey ist am 26. Mai 1975 in Starnberg geboren, er ist dort aufgewachsen und zur Schule gegangen. Am Gymnasium hat er 1995 das Abitur gemacht. Es folgte ein Jura-Studium in München und Passau, danach das Staatsexamen. Im Herbst 2002 ist er in Staatsdienst eingetreten, zuerst bei der Regierung von Oberbayern in verschiedenen Bereichen, danach war er juristischer Referent im Bauministerium.

Nächste Station in der Laufbahn von Stefan Frey war das Bayerische Innenministerium, wo er die Abteilung Führungshilfen übernahm und Referent von Innenminister Joachim Herrmann wurde. Nach einem zweijährigen Ausflug zur Bezirksregierung kam Frey zurück ins Innenministerium, war bis 2017 Pressesprecher und leitete zuletzt das Referat für politische Grundsatzfragen und Planung, das unmittelbar dem Minister zugeordnet ist.

Frey war seit 2014 Stadtrat in Starnberg. Nun tritt er mit 44 Jahren in die Fußstapfen seines Vaters Heinrich Frey, der vor Karl Roth Landrat war. Stefan Frey lebt mit seiner Ehefrau Ismene und den drei Kindern Marco, 9, Clemens, 7, und Carla, 4, in Starnberg.

Gerade die Coronakrise zeigt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitswesen ist, welche große Bedeutung gut ausgestattete Krankenhäuser haben. Was hat sich im Landkreis Starnberg bewährt, wo gibt es nach Ihrer Kenntnis Nachholbedarf?

In der aktuellen Krise zeigt sich, wie gut wir im Krankenhausbereich im Landkreis aufgestellt sind und dass sich die Investitionen in vollem Umfang lohnen. Diesen Standortvorteil brauchen wir auch künftig. Ein Klinikum im Westen des Landkreises bietet auch dort weiterhin ortsnah Versorgungssicherheit. Gut bewährt sich auch die enge Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen und Rettungsdiensten sowie Feuerwehr. Hier brauchen wir künftig landkreisweit passgenaue Standorte, also moderne und wo möglich kombinierte Einsatzzentralen.

Bis vor ein paar Wochen haben Sie sich sicher nicht vorstellen können, was jetzt auf Sie zukommt, wenn Sie im Mai das Amt des Starnberger Landrats übernehmen. Wie fühlt sich das an? Haben Sie Angst?

Nein, ich habe keine Angst. Im Gegenteil. Ich bin immer ein positiv gestimmter Mensch und ich freue mich auch auf die Aufgabe. Da kann ich umsetzen, was ich gelernt habe. Das sehe ich als große Herausforderung an und freue mich darauf, an deren Bewältigung mitzuwirken und die Situation in den Griff zu bekommen. Ich sehe das eher als Möglichkeit für die Zukunft unseres Landkreises, dass wir gestärkt daraus hervorgehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: