Musik:Vom Schatten zum Licht

Kleines Sommerfestival in der Remise

Eine Handvoll Pianisten: Heiko Stralendorff, Para Chang, Irina Shkolnikova, Sylvia Dankesreiter und Yi Lin Jiang (v.li.).

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Fünf Pianisten spielen in der Gautinger Remise Musik von Schubert und Beethoven

Von Reinhard Palmer, Gauting

Das Besondere an Konzerten des Pianistenclubs München ist die Vielfalt der künstlerischen Auffassungen innerhalb eines Programms. Dass es dennoch immer schlüssig wird, dafür sorgen sorgfältig durchdachte thematische Konzepte, denen jeder auftretende Pianist eben auf jeweils persönliche Weise folgt. So entsteht trotz der Eigenheiten der Musiker eine überzeugende Homogenität - ein Raum der Möglichkeiten, in dem diverse Blickwinkel eingenommen werden.

Ursprünglich dachte der Leiter des Kleinen Sommerfestivals in Gauting, Florian Prey, an einen Beethoven-Marathon mit allen Sonaten des Komponisten an einem Tag. Eine kühne Idee. Für das 20. Gründungsjubiläum des Pianistenclubs wäre das jedenfalls ein würdiges Programm gewesen.

Doch das Unternehmen scheiterte an anreisetechnischen Problemen. Stattdessen erarbeitete Sylvia Dankesreiter ein Konzept, das keinesfalls als Ersatzprogramm über die Bühne der Remise von Schloss Fußberg ging. Die direkten und indirekten Begegnungen Beethovens mit Schubert in den schicksalsschweren Wiener Jahren der beiden Komponisten bis hin zu ihrem zeitnahen Tod ist ein spannendes Kapitel der Musikgeschichte, zumal Dankesreiters professionelle wie charmante Moderation nicht nur unterhaltsam rüberkam, sondern auch historische Ereignisse ansprechend erhellte.

Es wurde Dankesreiters großer Abend, denn ihr Auftritt mit Schuberts A-Dur-Sonate D 959 aus dem Todesjahr des Komponisten erwies sich als ein wichtiger Höhepunkt des Abends. Vor allem, weil Dankesreiter es schaffte, den klangweichen und warm tönenden Blüthner-Flügel zum festlicheren Klingen zu bringen und ihm ein brillantes Register zu entlocken - mit einer fabelhaften Technik und Kraft im Anschlag. Damit stellte Sie Vorangegangenes in den Schatten, was allerdings nur klanglich zu verstehen ist, denn auch die verschattete Klangsubstanz hatte ihre Berechtigung. Das Instrument liegt klangfarblich nah am Hammerflügel, für den die Werke des Abends auch komponiert waren. Die Plastizität stand bei diesem Zugriff im Vordergrund, die Para Chang in Beethovens Es-Dur-Sonate op. 31/3 mit Leichtigkeit und blühendem Kolorit nah an die Romantik heranbrachte.

Das Spiel der Südkoreanerin blieb durchweg verhalten, suchte Steigerungen lediglich in der Texturdichte, im Ausdruck und in rhythmischer Präzision. Ähnlich wie Heiko Stralendorff in drei der Vier Impromptus (Nr. 2, 3, 4), hier immer wieder mit einem sagenhaft zarten Leggiero, das die Magie von Mendelssohns Sommernachtstraum herbeirief. In die Beethoven-Sonate e-Moll op. 90 brachte Stralendorff mit stärkeren Kontrasten schon wesentlich mehr Dramatik. Forsche Passagen setzten sich deutlicher von schönmelodisch lyrischem Fließen ab.

Dankesreiter erweiterte mit der klanglichen Strahlkraft das Spektrum der Differenzierung um eine entscheidende Komponente, öffnete sie doch damit ein wesentlich größeres Feld für Kontraste, energische Feierlichkeit, melodische Überhöhung, virtuose Ausbrüche, Spritzigkeit im Scherzo. Dazu standen auch die leidenschaftliche Dramatisierung, lyrische Sanglichkeit und andächtiges Sinnieren im stärkeren Kontrast und zeigten sich damit wirkungsvoller. Irina Shkolnikova ging indes den goldenen Mittelweg und fand in den "Drei Klavierstücken" D 946 den Schubert seiner letzten Lebensmonate, der so unendlich trauerte, der seine Leidenschaft glühen ließ, aber auch atemberaubend zärtlich singen konnte. Shkolnikova nutzte die Macht der Kontraste, vor allem im Allegro zur fulminanten Inszenierung des Finales.

Die Überraschung des Abends gelang dem Münchner Pianisten Yi Lin Jiang, der sich momentan noch den letzten Meisterklassenschliff am Salzburger Mozarteum holt. Seine Beethoven-Mondscheinsonate bewies spieltechnische Perfektion, aber auch eine enorme Musikalität und packende Ausdruckstiefe.

Der berühmte Kopfsatz floss in seelentiefer Ruhe, das Allegretto strahlte freudig bewegt, das rasante Presto-Finale perlte in höchster Präzision, bestach aber auch mit reich changierender Klangsubstanz. Großer Applaus für einen großen Klavierabend.

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