Süddeutsche Zeitung

Musik:Meuchlerische Königstochter

Der Verein Oper in Starnberg inszeniert in der Schlossberghalle "Medea", die Produktion will junge, vielversprechende Sänger fördern

Von Reinhard Palmer, Starnberg

Nach zwei Jahren Vorbereitung ist es wieder so weit: Oper in Starnberg. Mit Andreas Schlegel steht kein neuer Musikalischer Leiter am Pult, sondern der alte mit neuem Namen (ehemals Sczygiol). Für die Inszenierung zeichnet wie zuletzt bei "Orphée et Eurydice" Ada Ramzews verantwortlich. Alles beim Alten? Nicht ganz, so Schlegel: Man habe einst einfach losgelegt, nun aber sei "nach der Findungsphase" das Profil des Unternehmens klar. Zur Inszenierung sollen selten gespielte Opern gelangen, die jedoch ihrer Qualität nach unbedingt gespielt gehören.

Meisterwerke, die es schon immer schwer hatten. Davon vor allem die zeitlosen Stücke, denen das Publikum einen heute gültigen Mehrwert abgewinnen kann. Kurzum: Raritäten von hoher, nachhaltiger Qualität. Aber auch nur solche, die sich mit begrenzten Möglichkeiten realisieren lassen. Der Verein habe kein großes Budget und die Starnberger Schlossberghalle sei kein Theater, in dem man etwa Kulissentechnik hätte oder Platz dafür. Alle Mitwirkenden hinter den Kulissen müssten viele Funktionen zugleich übernehmen.

"Medea" (bzw. "Médée") von Luigi Cherubini, uraufgeführt 1797 in Paris, ist so ein Stück. Weil die deutschen Übersetzungen unzureichend seien, wird in französischer Originalfassung ohne ablenkende Übertitel gespielt. "Es muss die Leute so reinziehen", sagt Schlegel selbstbewusst. Das Werk sei im Typus der Opera Comique: Es treibt die Handlung mit gesprochenen Dialogen vorantreibt, ist aber nicht komisch. Im Gegenteil: Es geht um Mord und Totschlag. Sich bei Handlung und Vorgeschichte vorab ins Bild zu setzen, sei auf alle Fälle empfohlen, denn der Librettist François-Benoît Hoffman deutete die Vorgeschichte allenfalls in Dialogen an, betont Ramzew.

Auch wenn Schlegel wegen des - dem begrenzten Platz geschuldet - reduzierten Streicherapparats den "Bläsersatz etwas ausgedünnt" hat, erinnere die vielschichtige Musik hingegen durchgehend an die vorangegangene Tragödie und kündige das sich anbahnende Unheil trotz bisweilen vordergründigen Idylls an, etwa wenn dazu "Bläser intonieren in Forte", zudem in tiefen, düsteren Registern. "Sie konstruiert ihre Rache vom ersten Ton an", entnahm Schlegel dem Part der Medea und setzte nach: "Ein echter Thriller".

Was die inhaltliche Interpretation betrifft, wolle sie Medea dennoch nicht als rachsüchtige Femme fatale porträtieren, als vielmehr ihre multiple Persönlichkeit in Szene setzen, sagt Ramzews: Auf der einen Seite die meuchlerische Königstochter, die in der Vorgeschichte für den Argonauten Jason ihrem Vater das Goldene Vlies raubt und mit einem Brudermord die Flucht ermöglicht. Dann die Liebende wie ihren Kindern Fürsorgliche, die nach Verstoßung durch Jason zur Verletzten und Leidenden wird, auf Rache sinnt und auch nicht davor zurückschreckt, ihre eigenen Kinder zu töten. Doch "schlimme Szenen sieht man nicht", versichert Schlegel. "Medea ist vielschichtig, und jeder Charakter ist wahr", betont die Regisseurin, sie sei eine "extreme Person, die nur extrem Handeln kann".

Für die Auswahl der Darsteller gab es ein aufwendiges Casting. Auch hierbei bekam das Profil von Oper in Starnberg eine Ausrichtung: Die Produktionen sollen junge, vielversprechende Sänger fördern. Doch allesamt haben sie bereits erste Bühnenerfahrungen. So die Schwedin Marieke Wikesjo (Sopran, Medea), die schon 2015 im Bajazzo dabei war, der gebürtige New Yorker Jason Papowitz (Tenor, Jason), Timon Führ (Bariton, Kreon), in den Nebenrollen Yuna-Maria Schmidt (Sopran), Solgerd Isalv (Mezzosopran), Katharina Heißenhuber (Sopran) und Silvia Aurea De Stefano (Sopran). Bei den stummen Rollen der Kinder Jasons und Medeas haben die zehnjährigen Theaterkids von Wörthsee Leo Klammer und Caspar von Essen ihren Auftritt. Projektsänger wie das von Schlegel geleitete Vokalensemble Fünfseenland ergänzen die Szenen mit Argonauten, Priestern, Soldaten, Dienern und Volk.

Aus dem Projektorchester von Oper in Starnberg wurde nun ein eigener Klangkörper: Capella München. Wie schon in "Orphée et Eurydice" der letzten Produktion solle es an der Rückwand platziert werde, abgetrennt durch einen halbtransparenten Schleier. Wenn alles gut geht, werde es 2020 Vincenzo Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" - die Geschichte von Romeo und Julia - geben.

"Medea" wird am Donnerstag, 5. Juli (19.30 Uhr) und Sonntag, 8. Juli (18 Uhr) in der Starnberger Schlossberghalle aufgeführt. Vor beiden Aufführungen gibt es eine Stunde vor Vorstellungsbeginn eine 20-minütige Einführung in das Werk. Karten kosten 25 bis 35 Euro (ermäßigt: 10 bis 20 Euro).

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SZ vom 03.07.2018
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