Süddeutsche Zeitung

Musik:Glänzendes Blech

Das "Red Socks Brassquintett" überzeugt in Gilching mit einer Mischung aus Klassik, unterhaltsamen modernen Werken und volksmusikalischen Arrangements

Von Reinhard Palmer, Gilching

"Auf in die Zukunft. . .aber nicht auf roten Socken!", polemisierte die CDU 1994 gegen den linken Flügel des Parteienspektrums, als Helmut Kohl zum vierten Mal um die Stimmen der Wähler warb. Als das zufällig zusammengewürfelte Blechbläserquintett 2010 vor Horst Seehofer und weiterer Polit- und gesellschaftlicher Prominenz musizierte, gehörte die abschätzige Rote-Socken-Metapher der Vergangenheit an. Ob der Allgäuer Tubist Florian Mayrhofer damals zufällig rote Socken anzog oder damit ein politisches Statement abgab, wurde im Konzert des Kulturkreises in der Aula des Gymnasiums Gilching nicht verraten. Ein Bekenntnis zur politischen Linken oder ein Mode-Fauxpas?

Das Quintett machte jedenfalls aus der Not eine Tugend und gab sich den Namen "The Red Socks Brassquintett". Damals waren die fünf Bläser noch Studenten der Münchner Musikhochschule, bevor sie der berufliche Weg durch diverse Orchester führte. Mit Ausnahme des Posaunisten der Hofer Symphoniker, Matthias Lampl, der in Gilching für den verhinderten Ungarn Bálint Garaczi einsprang: Er hatte sein Studium in Würzburg absolviert. Neben Mayrhofer, dem Starnberger Trompeter Philipp Lüdecke und dem Hornisten Sebastian Krause, der sich für dieses Konzert aus dem Schnee im Chiemgauer Grassau ausgraben konnte, gehört auch Trompeterin Rita Thiem als leuchtend blonder Farbakzent im roten Kleid noch zur ursprünglichen Besetzung, die bereits ein breites Repertoire beherrscht.

Originalliteratur für ein Blechbläserquintett gibt es erst seit Ende des 19. Jahrhunderts, waren doch diese Instrumente zuvor bautechnisch noch nicht reif genug für die kammermusikalische Feinheit. Seit dem 20. Jahrhundert ist diese Besetzung für die Komponisten interessant, nicht zuletzt wegen ihrer Fähigkeit, mit orchestraler Wucht zum Schmetterblech zu mutieren. Mit gestalterischer Feinsinnigkeit und Klangschönheit führte indes das mittlerweile sehr homogen zusammengewachsene, rot besockte Quintett die Salonfähigkeit der heutigen Instrumente vor, die in dieser Zusammenstellung auf einen enormen Tonumfang zurückgreifen können. Gleichzeitig verfügt ein solcher Klangkörper über ein reiches Spektrum an dynamischen und klanglichen Möglichkeiten, die sogar physisch einen starken Effekt auf die Zuhörer ausüben. So ein austarierter Blechbläserklang kann schon tief in den Körper dringen, aber genauso auch mit Zartheit berühren.

Händel, der Meister der feierlichen Strahlkraft, hätte gewiss gerne für ein Blechbläserquintett komponiert. Seine umarrangierte königliche Geburtstagsmusik "Eternal source of light divine" überzeugte denn auch mit der Brillanz der Piccolotrompeten absolut. Aber schon Mendelssohns getragenes "Lied ohne Worte" op. 30/3 breitete das Quintett mit sanftmütigeren Flügelhörnern und warmem Ensembleklang aus, wobei das Thema in der selbstarrangierten Version durch alle Tonlagen hindurch mit lyrischer Schönheit überzeugte. Dass die fünf Klangbildner auch mit Latin packend unterhalten können, bewiesen sie genauso ausdrucksstark mit dem populären Choro "Tico Tico" des Brasilianers Zequinha de Abreu.

Die Komponisten der jüngeren Zeit setzen vor allem auf die satte Kraft des Blechbläserquintetts. Allen voran John Cheetham, dessen Kopfsatz aus der "Brass Menagerie" die Red Socks mit raffinierten ostinaten Begleitfiguren und präzisem Staccato zum Vibrieren brachten. Wie auch im spaßigen "Kleiner Zirkusmarsch" von Jan Koetsier oder in der unterhaltsamen "Suite Americana" mit "Ragtime", "Waltz" und "Son de Mexico" dominierten auch bei Cheetham klare, kraftvolle Themen den Quintettsatz, die die Musiker des Brassquintetts mit viel Fingerspitzengefühl vor Banalität bewahrten.

Blechbläser sind humorvolle und gesellige Musiker - so ihr Ruf, der sich freilich immer wieder bewahrheitet. Etwa mit spaßigen Reimen zwischen drei volksmusikalischen Arrangements von Andreas Unterreiner (geboren 1985). In Gilching griffen Lüdecke, Krause und Mayrhofer zudem zu Alphörnern, um mit einem Werk von Sebastian Krause (geboren 1962) - nach einem Alphorndialog zwischen im Raum verteilten Spielern eine imposante Improvisation - auch einen optischen Akzent zu setzen. Nach einem Tango durfte das Alphorn in den Zugaben mit einem emotionalen "Amazing Grace" als Soloinstrument in Quartettbegleitung sogar einen berührenden Schlusspunkt setzen.

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SZ vom 22.01.2019
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