Musik:Französische Noblesse

Musik: Das Quartett Quatuor Hermès in Gauting mit v.l. Omer Bouchez (Violine), Elise Liu (Violine), Anthony Kondo (Violoncello) und Yung-Hsin Lou Chang (Viola).

Das Quartett Quatuor Hermès in Gauting mit v.l. Omer Bouchez (Violine), Elise Liu (Violine), Anthony Kondo (Violoncello) und Yung-Hsin Lou Chang (Viola).

(Foto: Arlet Ulfers)

Dem Streichquartett "Quatuor Hermès" liegt es nicht, dick aufzutragen. Die vier Musiker modellieren im Gautinger Bosco subtil verschiedene Stimmungen. Gut gelaunt necken sie das Publikum mit Haydns Spezial-Gag

Von Reinhard Palmer, Gauting

Und er zündet immer noch - der Witz im Streichquartett Es-Dur op. 33/2 von Haydn. In Gauting umso mehr. Denn die Besucher im fast ausverkauften Bosco trauten dem "Quatuor Hermès" bei seinem vierten Besuch in der Würmtaler Klassikhochburg offenbar keine Gemeinheiten zu. So feinsinnig das Ensemble mit französischer Noblesse gestaltete, vertraute das Publikum darauf, einen "braven Papa Haydn", wie Mozart sagte, zu hören. Aber so harm- und humorlos waren die Klassiker keinesfalls. Heiterkeit flammte immer wieder in diesem Streichquartett auf, zumal es reich an volksmusikalischen Elementen ist. Aber das stockende Finale mit Generalpausen, Fermaten und Scheinschlüssen ist schon ein Gag. Das Gautinger Publikum fiel glatt darauf rein, applaudierte erheitert, noch bevor der gänzlich unspektakuläre Schlusstakt - als käme dann doch noch etwas nach - ausgespielt war.

Aber das meinte Haydn nicht, als er über die sogenannten russischen Quartette op. 33 schrieb: "... sie sind auf eine gantz neue besondere art ...". Kam es Haydn zuvor vor allem auf die dichte Kontrapunktik an, in der alles vom ganzen Ensemble gemeinsam getragen wurde, konnten nun das Quartett mit vielen solistischen Einsätzen brillieren, wie es sich im Grunde erst in der Romantik konsequent durchsetzen sollte. Für Omer Bouchez und Elise Liu (Violinen), Yung-Hsin Lou Chang (Viola) sowie Anthony Kondo (Violoncello) eine dankbare Gelegenheit, die Beseeltheit ihrer Formbildung unter Beweis zu stellen, was sie auch mit großer Einfühlsamkeit taten.

Das alles ist auch in Schuberts Rosamunde-Quartettt a-Moll op. 29 das Thema, doch dort viel ausladender und mit mehr Raum für Hell-Dunkel-Nuancierung, andererseits für weit gespannte Melodiebögen in heiterer Unbekümmertheit. Bei Haydn behielt das französische Ensemble die Entstehungsjahre 1778 bis 1781 im Auge und spürte die feineren Nuancen auf. So unterschied sich der Zugriff bei Haydn deutlich von dem auf Schuberts Quartett, obgleich die beiden Werke kompositionstechnisch viel gemeinsam haben. Ja, im Grunde auch die "Fantaisies sur le nom de Sacher" von 2012 des Franzosen Philippe Hersant (geb. 1948), wenn auch hier mit schärferen Ausbrüchen und gewagterer Harmonik nicht gerade vordergründig zu erkennen.

Bei dem vielfach international ausgezeichneten Komponisten ging es vielmehr darum, das knappe Grundmaterial, das vom Namen Sacher abgeleitete Motiv S(Es)-A-C-H-E-R(Re=D), in möglichst vielfältigen Variationen zu inszenieren. Ein Ansatz, der stark auf einen zentralen Aspekt des Programms abzielte: die Emotionalität. Zu deren Gunsten hatte sich auch Haydn bewusst von der Gelehrsamkeit im Rosamunde-Quartett abgewandt. Vielleicht waren ihm schon Zweifel an der absoluten Musik gekommen. Haydn blieb zwar bei der thematischen Arbeit, gestaltete sie aber spontaner, ja schon aus dem Bauchgefühl heraus. Daraus vermochte das Quatuor Hermès überaus ansprechende Stimmungen zu gewinnen. Diese fassten durchaus auch orchestrale Wirkungen ins Auge. Dass Letzteres bei Schubert zutrifft, ist mit dessen eigenen Worten verbrieft.

Er wolle sich "den Weg zur großen Sinfonie bahnen" verkündete er während der Arbeit an zwei Streichquartetten und einem Oktett. Das Quatuor Hermès nutzte dieses Bekenntnis. Einerseits wurde in den Zurücknahmen feinste Kammermusik kreiert, andererseits wurde in den dramatisierenden Verdunkelungen oder Verdichtungen orchestrale Fülle ausgegossen und dementsprechend großzügiger modelliert. Diese Erweiterung des Ton- wie Ausdrucksraums öffnete den jungen Musikern viel Platz für Schattierung und Zwischentöne, von dem sie aber überaus subtil Gebrauch machten. Dick aufzutragen liegt nicht in ihrem Temperament.

Musikalisch zu poltern, wie es im Scherzo Haydns durchaus möglich gewesen wäre, auch nicht. Die volkstümlichen Melodien und Themen erfreuten vielmehr dank reicher Farbigkeit und spieltechnischer Schlichtheit. Darin fühlt sich das Ensemble wohler und trifft in seiner ausgeprägten Homogenität jede noch so knifflige Nuance. Diese Stärke spielte das Quatuor Hermés in der mit begeisterten Ovationen bewirkten Zugabe noch einmal mit einer überwältigenden Wirkung aus: im betörend zarten und atemberaubend verträumten langsamen Satz des Debussy-Quartetts.

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