Süddeutsche Zeitung

Musik:Forever Young

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Die kanadischen Späthippies Birkett Hall und der 18-jährige Jakob Mühleisen in Dießen

Von Armin Greune, Dießen

Am Ende klopfen alle gemeinsam an die Himmelspforte: Das weit gereiste Duo aus Kanada, das nun im fortgeschrittenen Alter in Landsberg Fuß gefasst hat, und der gerade volljährige Singer-Songwriter, der sich anschickt, von Herrsching aus die Welt zu erobern. Was Jakob Mühleisen und das Duo Birkett Hall im Dießener Craft Bräu verbindet, ist die Liebe zur Musik, zu melancholischen Folkballaden und erdigem Blues. Zwischen ihnen stehen vier einhalb Jahrzehnte Musikgeschichte - aber wenn sie gemeinsam mit dem Publikum Dylans Knockin' on Heaven's Door intonieren, stimmt die Chemie. Oder "Basst scho'", wie Ella Birkett meint.

"Wir haben viele bayrisch gelernt", behauptet sie zur Begrüßung, ihr German aber sei "far from perfect". Ihrem Englisch merkt man nicht an, dass sie wie ihr Partner im frankophonen Quebec aufgewachsen ist. Ihr Lebensweg führte sie in die Rocky Mountains, wo sie als Goldsucherin und Skilehrerin arbeitete, bevor sie in die Filmindustrie, zur Musik und zu Ted Hall fand. 2009 ließen sie Kanada zurück, sieben Jahre lang bezogen sie Hauptquartier auf Koh Phangan, der als Partydestination berühmten Insel im Golf von Thailand.

Für das zunächst als Moscow Fish bekannt gewordene Paar böte sich die Kategorisierung "Späthippies" an, wenn das nicht so einen abwertenden Beigeschmack hätte. Denn Birkett and Hall sind ein edel gereiftes, in Ehren ergrautes Musikerpaar, dessen Authentizität und Bühnenpräsenz die Zuhörer noch immer in den Bann schlagen kann. Das gilt vor allem für Birketts Rockröhre mit Reibeiseneffekt - auch wenn sie dem überstrapazierten Vergleich mit Janis Joplins Organ dann doch nicht stand hält - wie sich bei der Interpretation von Gershwins "Summertime" erweist.

Besser passen zu den beiden die Covers beinharter Protestsongs: Dylans "Ballad of Hollis Brown" gerät zur energiegeladenen Rock-Elegie, Bruce Cockburns zornige Anklage "If I Had a Rocket Launcher" erzeugt auch bei Birkett Hall Gänsehaut. Manche Eigenkompositionen stehen dem kaum nach, wie das gesellschaftskritische "Glycerine Tears" oder "Buffalo Bones", mit dem das Paar an das Schicksal der amerikanischen Ureinwohner erinnert. Halls Spiel an der rudimentären E-Gitarre überzeugt dabei ebenso wie beide an der Blues Harp, der Gitarrenkoffer fungiert dabei gelegentlich als pedalbetriebene Basstrommel. Die Bühnenshow der Routiniers besteht überwiegend aus dreisprachigen Frotzeleien, wie sie sich bei alten Paaren einschleifen: Etwa wenn er sich ausgerechnet mitten im Konzert die roten Schuhe zubinden muss.

Mühleisen fällt es im Vorprogramm fast schon genauso leicht, das deutlich ältere Publikum um den Finger zu wickeln: Was ihm an technischen Fertigkeiten noch fehlt, macht er mit Charme wett. Der warme und doch markante Gesang hat vom Stimmbruch profitiert, die persönlichen, fast durchweg englischsprachigen Songs erzählen vom Abblitzen auf Stadelfesten und dem Tiefdruckgebiet, wenn man mit dem Rauchen aufhören will ("Depression Forecast"). Mühleisen kann aber auch Nonsens, etwa wenn er seinen "Apple Pie" mit einem witzigen Kazoo-Solo garniert.

Wie für Hall war auch für den Herrschinger seit frühester Jugend klar, dass er Musiker werden will: Schon als elfjähriger Knirps versuchte er sich im London-Urlaub mit dem Papa als Straßenmusiker - mit derselben Gitarre, die er auch in Dießen spielt. Hall sah "Jake" zum ersten Mal als 13-Jährigen in Landsberg: "Ick dachte nur "Heilige Strohsäck!"

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SZ vom 11.06.2019
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