Musik aus Oberpfaffenhofen:Schwerstarbeiter mit Gitarre

Eric Berthold im Acoustic-Corner; Gitarrist Erik Berthold

Spielt auf der Wiesn genauso wie bei der Erstkommunion in der Kirche: Der Sänger und Gitarrist Erik Berthold in seinem Geschäft "Acoustic Corner".

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Erik Berthold ist durch seine vielen Auftritt im Landkreis bekannt wie kein zweiter Folkmusiker. Zugleich leitet er noch seine eigene Musikschule, führt ein Geschäft und gibt Workshops für behinderte und nicht behinderte Kinder

Von Gerhard Summer, Starnberg/Oberpfaffenhofen

Kann das sein, dass es sogar einem Erik Berthold mal zu viel wird? Wäre kein Wunder. Der Gitarrist und Sänger, der mit seiner runden Nickelbrille und den zum Pferdeschwanz gebundenen grauen Haaren wie eine Mischung aus Vorstadtindianer und Abendschullehrer aussieht, sagt es ja selbst: Natürlich sei das allein kaum zu schaffen - die eigenen 200 Auftritte im Jahr, ob auf der Wiesen, auf Isarflößen, bei der Erstkommunion in der Kirche oder als Straßenmusiker. Dazu noch sein Gitarrengeschäft und die Gratis-Konzertreihe in Oberpfaffenhofen, die Workshops für behinderte und nichtbehinderte Kinder, die er an drei Schulen im Landkreis gibt, das Management für andere Musiker und für "The Corner Kids", ein Trio, das aus drei seiner fünf Kinder besteht, nämlich aus Lea, 11, Louis, 10, und Linus, 8. Nicht zu vergessen: Bertholds Musikinstitut mit 200 Schülern und 15 Lehrern.

Etliche der Pädagogen sind Ausnahmemusiker, sie leben mittlerweile trotzdem am Limit, weil sie alt geworden sind oder in ihrer Heimat keinen Job mehr finden. Ron Cairo, vormals Gitarrist der Michael-Jackson-Band, der in den Siebzigerjahren mit dem Reggae-Spezialisten Wally Warning nach München gekommen war, gehört genauso wie der griechische Schlagzeuger Christos Asonitis dazu. Für sie und andere Pädagogen ist Bertholds "Easy Learning Music School" so etwas wie ein Auffangnetz. "Wir sind zur Sozialstation für Musiker konvertiert", sagt Berthold und lacht, als fasse er es selbst nicht. "Aber ich kann die Leute doch nicht raushauen." Er und zwei Angestellte erledigen für ein paar Lehrer sogar den ganzen Papierkram, "sie müssen nur kommen und Unterricht geben".

Wie er das auf die Reihe kriegt? Berthold scheint eine Rossnatur zu haben, Urlaube kann er sich nämlich gar nicht leisten. Ja, sagt er, das alles "ist too much". Und erzählt gleich weiter: dass er eine Lyrikerin für den Kulturpreis des Landkreises nominiert hat. Und dass sein Musikinstitut nun auch Außenstellen im Steinebacher Bahnhof und in einem Gautinger Kindergarten hat. Sonst noch was? Womöglich, denn es ist nicht leicht den Überblick über all das zu behalten, was der umtriebige 51-Jährige am Laufen hält. Er ist ein Netzwerker vor dem Herrn und kennt mehr als 200 Musiker vorwiegend im Dunstkreis von München. Berthold ist im besten Sinne Schnittlauch auf allen Suppen. Ein Tausendsassa und Autodidakt, der mehr zuwege bringt als viele Akademiker. Zum Beispiel, wenn es darum geht, den Papierkrieg zu führen, um eine Privatschule in Bayern genehmigt zu bekommen.

Berthold ist in einer deutsch-amerikanischen Familie am Rand der McGraw-Kaserne in München-Giesing aufgewachsen und hat alle Schulen abgebrochen. Autorität, das war nichts für ihn. Mit 15 kam er zur Oma nach Oregon, einer Profimusikerin. Sie lebte mit dem Onkel und dessen Familie auf einer Farm neben einer Haselnuss-Plantage. Ein Traum. Doch Erik flog auch von der High School, nach einem schweren Autounfall landete er wieder in Deutschland und machte in Gauting eine Lehre als Kunstschlosser. Er lebte damals "von der Hand in den Mund", arbeitete als Automechaniker, Lkw-Fahrer, Kellner und fuhr Autorennen. Parallel machte er immer Musik. "Aber ich hab's nie ernst genommen: Andere wollen um jeden Preis Profimusiker werden und schaffen es nicht - ich wollte es nie. Es ist ein Riesenglück, dass es so gekommen ist."

Vielleicht gab sein erster richtiger Auftritt 1985 in Gauting den Ausschlag. Der Vater seiner damaligen Freundin feierte einen runden Geburtstag, und Berthold sang Johnny Cash vor den Gästen. Waren das nicht lauter "elitäre Leute", mit denen er auf Kriegsfuß stand? Ja doch, aber sie klatschten und waren aus dem Häuschen. Inzwischen hat der Münchner 1000 Songs auf dem Schnürchen, die Singer-Songwriter der Siebziger wie Gordon Lightfood oder John Denver haben es ihm angetan, dazu der Westcoast von Neil Young bis zu den Eagles. Und er tritt in wechselnden Besetzung mit Profis auf, mal im Trio als "Eric and The Peacemakers", mal in der großen Formation "Eric and Friends".

Worauf es ankommt im Leben, lernte er, als 1990 sein Sohn Philipp zur Welt kam. Philipp hat Down-Syndrom. Damals wurde Berthold klar, "dass die materiellen Dinge völlig unwichtig sind und dass es nur auf Zuwendung und Liebe ankommt". Er wohnte mit Philipp am Wandrand von Gauting, nahm ihn zu Auftritten mit. So kam es auch, dass der rastlose Musiker bei Sommerfesten der Lebenshilfe Starnberg auftrat und eben nicht nur mit Chris Jagger spielte, dem jüngeren Bruder des Stones-Sängers, sondern auch öfters mit einem jungen Pianisten mit Handicap zu hören ist.

Seine putzmunteren "Corner Kids", die Songs von Hannes Wader oder den Sportfreunden Stiller covern und eigene Stücke spielen, gehören auch schon zu den gefragten Live-Acts. Erik Berthold, dem Schwerstarbeiter im Dienste des amerikanischen Folk, fällt dazu ein: "Die haben schon so viele Jobs, da muss ich langsam aufpassen."

Der nächste Konzerttermin: Freitag, 5. Juni, auf der Roseninsel bei Feldafing, zusammen mit den "Corner Kids". Beginn: 18 Uhr, Infos: 08153/881040.

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