Süddeutsche Zeitung

Munich International School:Hinter den Mauern von Starnbergs diskretester Schule

Promi-Kinder, Security, bis zu 25.500 Euro Gebühren im Jahr: Viel mehr weiß man nicht über die Munich International School. Der Direktor will das jetzt ändern.

Von Sabine Bader

Die Munich International School (MIS) auf Gut Buchhof ist eine Welt für sich. Abgeschlossen, eigen, unbekannt. Kaum einer weiß, was hinter den Mauern, an denen man auf der Staatsstraße von Percha nach Wangen vorbeifährt, wirklich passiert. Gut, es ist eine Schule, das wissen die meisten. Eine Schule für reiche Promi-Kinder, heißt es. Unstrittig hatten dort namhafte Schauspieler und Fußballstars ihren Nachwuchs. Namen nennt die Schulleitung ausdrücklich nicht. Bekannt ist aber, dass auch Felix Finkbeiner zu den Schulabsolventen zählt. Er war kein Promikind, bevor er selbst durch seine "Plant-for-the-Planet"-Aktion zum Promi wurde. Dass sich auch Eltern mit Mittelklasse-Einkommen die MIS leisten können, liegt daran, dass häufig die Firmen das beachtliche Schulgeld übernehmen. Es kann je nach Alter des Kindes zwischen 14 000 und 25 500 Euro im Jahr liegen. Es gibt allerdings Geschwisterrabatt.

Insgesamt sind 1280 Schüler sowie 180 Lehrer und Erzieher an der Schule. Über die Bauten auf dem Schulgelände erfährt die Öffentlichkeit wenig - außer, wenn der Starnberger Stadtrat über ein Neubauprojekt auf den Areal diskutiert. Das Grundstück gehört der Stadt München, die MIS hat es in Erbpacht. Momentan plant die Schule den Zaun um das Gelände auch in Richtung Süden zum Wald hin zu schließen. Damit auch der letzte Spaziergänger und Pilzsammler aus dem Wald merkt: Stopp, hier geht's nicht weiter! Die SZ darf dennoch einen Rundgang machen.

Parkplatz

Gestartet wird auf dem großen Parkplatz, der direkt gegenüber der Schule liegt. Alles ist geregelt. Ist das Auto auf einem der Stellplätze abgestellt, geht es zu Fuß weiter. Es gibt kleine gelbe Fußstapfen und Hinweis-Bildchen, mit gelben stilisierten Männchen auf den Gehwegen sowie einen Zebrastreifen, damit auch alle sicher ankommen. Und es gibt eine Bushaltestelle. Dort hält der normale Linienbus zwischen dem Bahnhof Nord in Starnberg, Wangen und dem Kloster Schäftlarn. Wer in Richtung Fußgängerunterführung steuert, passiert ein großes Schild, auf dem der Lageplan der Schule verzeichnet ist. Das ist auch nötig, denn auf dem 23 Hektar großen Gelände kann man leicht den Überblick verlieren. Jetzt geht es durch eine regenbogenfarbene Unterführung und schon steht man auf der anderen Seite der Hauptstraße am Eingang des Schulgeländes.

Ein Schild macht gleich deutlich: "Zugang nur mit gültigem MIS-Ausweis." Den hat der geneigte Wandersmann natürlich nicht. Er wird aber ohnehin aufgehalten durch die Security. Die sitzt in einem kleinen Holzhäuschen. Wer auf das Schulgelände will, muss sagen warum, einen Ausweis oder ähnliches hinterlassen und erhält einen Einlasspass, den er sich um den Hals hängen soll. "Er muss sichtbar sein", sagt der Herr im Häuschen. "Wenn man jemanden auf dem Gelände ohne erwischt, wird er genau befragt und zu uns gebracht." Bravo, denkt der Ankömmling, das kann ja heiter werden. Doch so arg wird es nicht.

Der Direktor

In der alten Villa, dem Schlösschen, wie man es hier nennt, befindet sich unter anderem die Schulleitung. Timothy Thomas ist seit vier Jahren der Direktor. Davor war er zwei Jahre lang Stellvertreter. Thomas ist 45 Jahre alt, US-Amerikaner und lebt mit seiner Familie in München. Nach Deutschland kam er erstmals mit 17 Jahren als Austauschschüler. Heute spricht er nahezu akzentfrei deutsch. Bevor er Schulleiter wurde, hat er Grundschüler ebenso unterrichtet wie Gymnasiasten, er lehrte die Fächer Deutsch und Englisch. Er war an staatlichen Schulen ebenso beschäftigt wie an privaten. Thomas weiß natürlich um das Bild, das sich die Leute außerhalb der MIS machen. "Ich möchte nicht, dass wir hier in einer internationalen Blase leben", sagt er, wenngleich er weiß, dass auch er dies nicht ganz verhindern kann.

Dennoch gibt es ein Austauschprogramm mit hiesigen Schulen. Die Fußballjugend der MIS ist beispielsweise zu Gast in anderen Schulen, die Teilnehmer der Starnberger Musiktage sind in der MIS zu Gast. Und doch legen manche Eltern Wert auf eine gewisse Abschottung. "Nun ja, wir unterrichten Schüler aus 65 Nationen unterschiedlichster Herkunft", sagt Thomas zur Erklärung. Der Direktor und sein Wirtschaftsleiter Roman Friemel erzählen, dass die Schule in der Oberstufe eine Abi-Quote von 96 bis 100 Prozent hat. Diese Schüler haben die Internationale Hochschulreife und können damit in jeder Uni der Welt studieren. Doch nicht jeder, der hier zur Schule geht, wird zum Abitur gebracht. Etliche verlassen die MIS auch mit der Mittleren Reife. "Wir nehmen die Schüler auf, wo sie stehen", sagt Thomas.

Das Schlösschen

Das Schlösschen war früher ein privater Gutshof. Nach dem Krieg wurde es als Waisenhaus genutzt, dann hat man die Kinder von Militärangehörigen dort unterrichtet, bis die MIS das Gebäude Anfang 1968 erwarb. Die Schule sei die dritte Internationale Schule in Deutschland gewesen, erzählt Thomas. Die beiden anderen gab es in Hamburg und Frankfurt. "Wir sind ein Wirtschaftsstandort für die Region und somit wichtig", sagt der Wirtschaftsleiter. Denn internationale Führungskräfte kämen nur nach München, wenn sie für ihre Kinder einen internationalen Schulstandort vorfänden. Das erklärt Friemel, wie er sagt, auch den Vertretern aus der bayerischen Politik bei Verhandlungen über Zuschüsse. Und nicht selten sagt er auch: "Ja, man zahlt bei uns viel, aber gute Bildung hat ihren Preis." Hauptunterrichtsfach in der MIS ist Englisch, Deutsch als Zusatzsprache ist Pflicht für alle. "Das ist mir wichtig. Wir befinden uns hier schließlich in Deutschland", sagt Thomas. Bei ihren Anfängen waren im Schlösschen noch alle Klassenzimmer untergebracht. Losgelegt hat man auf Gut Buchhof mit 80 Kindern.

Grundschule

Dem Schlösschen nahe liegt das Grundschulgebäude (Junior School). Das erste, was Grundschüler morgens machen: Sie ziehen ihre Straßenschuhe aus und schlüpfen in die Hausschuhe. Brav aufgereiht stehen noch etliche der kleinen Schuhchen auf ihren Brettern und warten auf die Besitzer. "Das ist wie in deutschen Grundschulen auch," sagt Thomas. Von einem kreisrunden Bereich, der den Kindern als Aufenthaltsort dient, gehen die Klassenzimmer ab. Ein kleines Mädchen lümmelt auf einer Bank und wischt auf ihrem iPad herum. Bereits in der Grundschule wird mit digitalen Medien gearbeitet. Während in Mittel- und Oberstufe alles im Unterricht digital abläuft, "wird in der Grundschule natürlich auch noch mit der Hand geschrieben", sagt Thomas. "Schließlich müssen die Kinder ja ordentlich schreiben lernen." Die Klassenräume sind nicht groß, etliche haben aber zwei Ebenen, weil die Kinder viel in kleineren Gruppen arbeiten - schon wegen der unterschiedlichen Nationalitäten und Sprachen, erzählt Thomas. Die Zweitklässler befassen sich gerade mit der Zahl 100 und erzählen, was ihnen dazu einfällt. Vor dem Grundschulgebäude trifft man auf sieben Zweitklässer, die mit ihrer Lehrerin um einen Baum stehen. Die Kinder sind alle neu an der Schule, kommen aus unterschiedlichen Ländern und lernen gerade die ersten Worte Englisch. "Tree", erklärt einer der Kleinen freudig dem Direktor und deutet auf den Baum.

Mittelstufe

Im nächsten Gebäude, der Mittelstufe (Middle School), fällt als erstes der Wasserspender auf. "Das ist ein Projekt bei uns", erklärt Thomas. "Die Schüler haben gemerkt, an der Schule wird viel zu viel Plastik verbraucht." Klar, es gab das normale Wasser in Plastikflaschen. Die Jugendlichen wandten sich an den Direktor und machten den Vorschlag, Plastik zu sparen, indem man Wasserspender anbringt, aus denen man sich Leitungswasser in Trinkflaschen aus Metall füllen kann. Das Projekt überzeugte die Schulleitung. Heute stehen insgesamt neun Wasserspender in den unterschiedlichen Schulgebäuden. In jedem Spender ist ein Zähler installiert, der anzeigt, wie viele Plastikflaschen man hier schon eingespart hat. An diesem in der Mittelschule sind es gerade 4598. "Am Jahresende wollen die Schüler ausrechnen, wie viele Tonnen Plastik sie gespart haben", sagt Thomas. Übrigens hat die Schulleitung nicht nur jedem Schüler eine Trinkflasche aus Metall zur Verfügung gestellt, sondern auch allen Lehrkräften. Selbst der Direktor nuckelt an seinem Fläschchen. Im Untergeschoss des Gebäudes befindet sich ein Unterrichtsraum für Hauswirtschaft. Hier lernen die Mittelstufler kochen und waschen. Sie lernen, wie man abspült, die Spülmaschine richtig einräumt und Hemden ordentlich zusammenlegt. Ab und an kochen die Jugendlichen auch für Mitschüler und Eltern - kürzlich war es ein indisches Gericht.

Mülltrennung

Auf dem gesamten Campus stehen Müllbehälter in die die Jugendlichen ihren Abfall getrennt werfen - Restmüll, Papier, Plastik und Flaschen. Sie werden auch dazu angehalten, Papiere, die irgendwo herumliegen, aufzusammeln und zu entsorgen. Ein Zehnjähriger rennt des Wegs, in der Hand hält er ein zerknülltes Tempo und ruft "Hi, Mr. Thomas". Lehrer und Schulleiter duzen sich hier alle. "Wir arbeiten so eng zusammen, da ist das sinnvoll", erklärt Thomas. Außerdem ist das "you" im Englischen ohnehin üblich. Geht man mit dem Direktor übers Gelände, schallt es von überall her: "Hi Tim".

Kreativbau

Wer den Kreativbau betritt, sieht es schnell: Hier wird mit den Händen gewerkelt. Es wird gezeichnet, gesägt und genäht. Es gibt auch einen 3D-Laserdrucker, den die Jugendlichen programmieren können, um selbst Gegenstände herzustellen. Auf einem Tablett liegen etliche ausgedruckte bunte Kreisel, die sich lange drehen. Nebenan türmen sich Stoffballen zum Nähen. Es gibt ein kleines Studio, in dem die Jugendlichen Film- und Tonaufnahmen machen und schneiden können. Theaterspielen (Drama) ist in der Schule verpflichtend. Zumindest muss jeder Schüler das Fach einmal belegen und schauen, ob ihm das Spielen liegt. Im Durchschnitt haben die Klassen an der MIS 18 und 20 Schüler. An der Schule sind übrigens vier Schulpsychologen fest angestellt. Das sei bei der großen Anzahl an Nationalitäten auch sinnvoll, weiß Thomas. Viele Kinder und Jugendliche hätten auch bereits etliche Schulwechsel hinter sich, weil ihre Eltern "Zugvögel" seien, die gerne Land und Kultur wechselten oder beispielsweise Diplomaten, die häufiger versetzt werden. Zwar sind die Standards an allen internationalen Schulen identisch, so dass die Kinder keine Zeit durch den Schulwechsel verlieren, aber nicht allen fällt es leicht, neue Freundschaften zu schließen. Da kommt der Schulpsychologe ins Spiel.

Oberstufe

Die Oberstufe (Senior School) ist im ehemaligen Pferdestall des Gutes untergebracht. 1968 hat man ihn bereits erstmals für Schulzwecke umgebaut. In einem der Räume sitzen gerade Jugendliche an ihren Laptops. Was vorne auf der Leinwand präsentiert wird, haben sie auch auf ihren Bildschirmen. Neben vielen steht ihre Wasserflaschen. In einem anderen Raum wird der elften Klasse gerade ein Film gezeigt und anschließend darüber debattiert. Im Eingangsbereich befinden sich mehrere Sitzgruppen, die die Oberstufenschüler nutzen können, um entweder gemeinsam zu arbeiten oder einfach nur zu chillen. Es gibt im Übrigen auch einen Saal an der Schule, der mit seinen schräg nach unten verlaufenden Sitzreihen aussieht, wie ein Amphitheater. Er wird für große Veranstaltungen genutzt - zum Theaterspielen zum Beispiel oder für Konzerte.

Mensa

In der Mensa gibt es ausschließlich Bio-Essen. Dazu habe sich die Schule vor Jahren entschieden, sagt Thomas. Die Zutaten dafür sollen möglichst aus der Region stammen und saisonal sein. Gekocht wird auf dem Campus von angestellten Köchen. Das Essen wird natürlich nicht auf Plastik-, sondern Keramikgeschirr serviert.

Kindergarten

Auf einem flauschigen Teppich sind alle Buchstaben des Alphabets abgebildet. Die lernen die Kinder im Kindergarten (Early Childhood), ganz nebenbei. Es gibt die Uhu-, die Falter-, die Fuchs- und Bienengruppe. In jeder Gruppe kümmern sich zwei Erzieher um zehn bis 17 Kindern. Auf dem Spielplatz vor dem Haus tollen und klettern etliche von ihnen in der Vormittagssonne. Etwas weiter entfernt kicken größere Kinder auf einem der Bolzplätze. Es gibt übrigens auch drei Sportplätze auf dem Gelände. Im Freien endet dann auch der Rundgang über das Schulgelände. Natürlich erst, nachdem der Gast dem Security-Herrn im Häuschen artig den Einlasspass ausgehändigt hat. Und es geht zurück durch die Regenbogenunterführung auf den gegenüberliegenden Parkplatz.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2018
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