Archäologie:Die Schätze im Starnberger See

Unterwasserarchäologen Starnberger See

Viele Unterwasserarchäologen sind Sporttaucher. Diese untersuchen die jungneolitische Pfahlstation von Kempfenhausen.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Ein gekentertes Schiff, Rosenkränze und Melonenkerne: Unterwasserarchäologen finden immer wieder neue Dinge im See. Mit neuen 3-D-Verfahren können sie manche vor dem Verfall bewahren.

Von Sylvia Böhm-Haimerl

Das Wrack, das vor Berg im Bereich des Dampferstegs liegt, ist voll beladen mit Schieferschindeln. Obwohl das Transportschiff schon etwa 120 Jahre am Grund des Starnberger Sees liegt, ist die Ladung noch immer sauber gestapelt. Die oberste Schindelschicht ist nur eine Hand breit von der Oberkante des Bootes entfernt. Robert Angermayr von der Gesellschaft für Unterwasserarchäologie in Bayern glaubt nicht an die These, wonach das Schiff auf dem Weg von Tutzing nach Berg gesunken ist, wie in einigen Quellen behauptet wird. Seiner Meinung nach fuhr das Schiff viel zu stark beladen von Starnberg am Ufer entlang Richtung Berg.

Der erfahrene Taucher ist einer von wenigen Spezialisten, die die 3-D-Rekonstruktion von Unterwasserfunden beherrschen. Auf der Tagung für Unterwasserarchäologie am Wochenende in Bernried standen die Funde im Starnberger See im Mittelpunkt. Vor etwa 150 Besuchern referierte Angermayr über das "neuzeitliche" Wrack, das etwa im Jahr 1900 gesunken ist und zwei Menschen mit in den Tod gerissen hat.

Für ein 3-D-Modell werden mindestens 1400 Einzelbilder benötigt, aus denen der Computer etwa 13 Millionen Punkte berechnet. Mit den gewonnenen Daten kann der Computerfachmann aus Eching am Ammersee die genauen Maße ermitteln. Auf diese Weise hat er auch die Bugschnecke des Transportbootes wiederentdeckt, die Taucher in den 1970er-Jahren aus dem Wrack herausgebrochen hatten. Unter 20 Bugschnecken im Museum Starnberger See fand er dank der 3-D-Technik diejenige heraus, die "mit 99-prozentiger Wahrscheinlichkeit" zum Boot gehört.

Unterwasserarchäologen tagen im Sommerkeller

Franz Herzig, Tobias Pflederer und Robert Angermayr (von links) von der Bayerischen Gesellschaft für Unterwasserarchäologie.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Einmal pro Jahr taucht Angermayr zu dem Wrack hinunter, um den Verfall zu dokumentieren. Jeder Tauchgang muss akribisch vorbereitet werden, und ebenso akribisch forscht er vor Ort in den Archiven. Angermayr hat herausgefunden, dass die Schieferschindeln in dem Wrack aus Wales geliefert worden waren. Auch das spricht gegen einen Transport aus Tutzing. Er ist überzeugt davon, dass das Material mit dem Schiff nach Hamburg oder Lübeck geliefert wurde und von dort weiter mit der Bahn nach Starnberg. Das Schiff gehörte Josef Böck aus Berg, dem zu dieser Zeit größten Transportunternehmer am See. Das größte Transportschiff des Unternehmers ist ebenfalls gesunken. Das Wrack "Josefine" wurde bislang nicht dokumentiert, weil es in 85 Metern Tiefe vor der Steilwand in Allmannshausen liegt. Der Echinger will es als nächstes Projekt erforschen.

Weil die bislang untersuchten Wracks im Starnberger See sehr schnell verfallen, will Angermayr möglichst viele in 3-D-Technik dokumentieren, damit sie wenigstens auf diese Weise für die Nachwelt erhalten bleiben. Seit drei Jahren wird daher der Einbaum vor dem Dampfersteg von Bernried untersucht. Weil das etwa 400 Jahre alte Wrack nach Angaben des Unterwasserarchäologen Bernd Päffgen einen "erschreckend fortschreitenden Verfall" zeigt, könnte es nach Angermayrs Meinung vor Ort in Geotextilien eingepackt und dadurch geschützt werden. Laut Päffgen ist nicht der Schiffsverkehr der Grund für die Zerstörung, sondern die starke Strömung.

Wie Päffgen ausführte, wurde rund um den Steg auch viel Müll aus der Zeit um 1670 gefunden. Da Reste von Rosenkränzen gefunden wurden, schließt Päffgen daraus, dass im Bereich des Klosters ein sogenannter Paternosterer arbeitete. So wurden im Mittelalter die Handwerker bezeichnet, die Rosenkränze herstellten. Darüber hinaus fand man Eierschalen, einen Läusekamm und Wassermelonenkerne, die damals als Abführmittel und gegen depressive Stimmungen verwendet wurden. "Archäologen lieben Müll", sagt er. Im Dreißigjährigen Krieg sei viel zerstört und anschließend neu aufgebaut worden, erklärt Päffgen die Funde.

Nach Angaben des Vorsitzenden Tobias Pflederer werden die meisten Funde von Sporttauchern entdeckt und an das Landesamt für Denkmalpflege gemeldet. Die Behörde wiederum beauftragt die Spezialisten von der Gesellschaft für Unterwasserarchäologie mit den Untersuchungen vor Ort. Die meisten der 90 Vereinsmitglieder kommen laut Pflederer aus dem Sporttaucherbereich und haben sich ihr Fachwissen zur Archäologie nach und nach angeeignet. Sie arbeiten ehrenamtlich und oft auf eigene Kosten. Angermayrs Ausrüstung beispielsweise kostet etwa so viel wie ein Mittelklassewagen. Auch den 3-D-Drucker hat er privat angeschafft. Damit hat er ein Modell des Bernrieder Einbaums angefertigt. Es wurde auf der Tagung an den Bernrieder Bürgermeister Josef Steigenberger übergeben als Dank dafür, dass er die Unterwasserarchäologen beim letzten Tauchgang im Mai mit Kaffee versorgt hat.

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