Musik aus dem Landkreis:Von Wien über Venedig an die Tanke

Der 20-jährige Sänger-Songwriter Jakob Mühleisen aus Weßling besingt auf einer neuen EP seine Reisen durch Europa während der Pandemie.

Von Armin Greune

Musik aus dem Landkreis: "Der geilste Auftritt bisher": Jakob Mühleisen im Münchner Olympiastadion als Support von Jamaram im Covid-Sommer vor etwa 500 Zuhörern.

"Der geilste Auftritt bisher": Jakob Mühleisen im Münchner Olympiastadion als Support von Jamaram im Covid-Sommer vor etwa 500 Zuhörern.

(Foto: Mónica Garduñ/oh)

Wie für viele Musiker hätte 2020 auch für Jakob Mühleisen ein verlorenes Jahr sein können. Kurz vor dem ersten Lockdown belegte seine Band A Story For Reflection mit ihrem Debütalbum schon Platz neun der Alternative iTunes-Charts; die Release-Tour mit Konzerten in Berlin, München, Kassel und Bonn war fix gebucht - und fiel dann wegen der Corona-Pandemie komplett ins Wasser. Mit den Mitstreitern - Keyboarder Maxi Aldinger, Bassist Veit Kobler und Schlagzeuger Anton Engelmann - führte er fortan eine musikalische Fernbeziehung. Mühleisen konzentrierte sich in seiner Weßlinger WG wieder auf seine Solokarriere.

Neueste Frucht dieser Aktivitäten ist seine zweite EP "A Pandemic Journey", gewissermaßen ein sehr persönliches Reisetagebuch über die zweite Hälfte des vergangenen Jahres. Es ist auf gängigen Plattformen wie Spotify und Amazon verfügbar - lässt sich aber auch in einem Youtube-Video des Herrschinger Kulturvereins verfolgen. Mühleisen interpretiert darin live and unplugged im Kurparkschlösschen seine fünf Stücke, Publikum war natürlich nicht anwesend.

Weßling, Jakob Mühleisen

Fünf neue Songs hat Jakob Mühleisen auf seiner "Pandemic Journey" komponiert und dann daheim in seiner WG in Weßling aufgenommen.

(Foto: Georgine Treybal)

Der 20-jährige Singer-Songwriter präsentiert sich dabei gewohnt nachdenklich-melancholisch, schildert aber auch authentisch die Freuden, die das Leben und Reisen zwischen den Lockdowns mit sich brachte. Immerhin waren Mühleisen etwa 30 hygienekonforme Solo-Konzerte vergönnt, so konnte er auch im Oktober zum wiederholten Mal im St. Pauli-Museum auftreten. Den Song "St. Pauli Nights" hatte er freilich schon im März 2020 geschrieben, als ihn nostalgische Gedanken an den Hamburger Stadtteil heimsuchten: "I won't let go all these Memories", singt Mühleisen da mit seiner warmen, manchmal brüchigen Stimme und begleitet sich dazu auf dem Klavier.

Für die übrigen Songs greift er wieder zur Gitarre. Ihnen ist anzumerken, dass er den Lockdown genutzt hat, seine Technik am Instrument zu verfeinern: "Ich hatte ja reichlich Zeit, um viele neue Sachen auszuprobieren", sagt Jakob Mühleisen. Seine Weiterentwicklung im Saitenspiel lässt sich etwa im wunderschönen Intro von "Streets of Vienna" heraushören. Das Stück, von einem einmonatigen Aufenthalt in Wien inspiriert, erzählt davon, wie Wasser zu Wein wird, wenn in der Sommerbrise die Sonne untergeht. Und wenn dann die Stimme des Sängers mal nicht genau den richtigen Ton trifft, unterstreicht gerade diese Authentizität die anrührende Wirkung des einprägsamen, aber dennoch nicht banalen Lieds.

Die nächste Station auf der pandemischen Reise ist "Venice in September", wo Mühleisen die Lagunenstadt an einem Wochenende fast frei von Touristen erleben durfte. Im Dezember, als alle wieder in ihre goldenen Käfige eingesperrt waren und viel zu viel Zeit hatten, entdeckte er die Reize der kleinen Fluchten. "1Am at the Reststop" erzählt davon, wie eine Cola mit der Freundin, Benzingeruch, der Blick auf Autos und die gespenstische nächtliche Atmosphäre einen Ausbruch zur Gilchinger Tankstelle zum Highlight des Tages machen. Bevor dann der ewige Kreislauf Tag für Tag weitergeht. . .

Generell aber ist es Mühleisens Ziel, mit "Pandemic Journey" "ein bisschen Licht in dunkle Zeiten zu bringen". So schließt die EP mit einer fröhlichen Botschaft: "Spring will come" ist ein unbeschwertes Liedchen, das optimistisch stimmt. Der Musiker blickt jedenfalls hoffnungsvoll in die Zukunft: Für ihn und seine Band habe sich in den vergangenen Monaten "tatsächlich viel getan". A Story for Reflection wurde Ende 2020 mit dem Kulturpreis des Landkreises Landsberg ausgezeichnet. Bei der Wahl zur "Band des Jahres" der Junge-Leute-Seite der SZ wurde die Gruppe knapp geschlagen, nach dem Publikumsvotum lag man noch auf Rang eins, sagt Mühleisen, der an seinem dritten Album arbeitet. Das gab den Ausschlag, die Band-Aktivitäten wieder verstärkt zu verfolgen, auch wenn Kobler in Hamburg lebt und Aldinger in Wien. Eine neue Single sei schon aufgenommen, so biete das neue Jahr "viele Perspektiven: Es ist schon mehr passiert, als im ganzen Jahr 2020."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: