Mittags in Dießen: Auf einem Stuhl vor dem Kino döst eine Katze, und unter einem großen gelben Sonnenschirm vor dem Gasthof Unterbräu hat sich der Stammtisch versammelt. Dort wird gescherzt, ob eher Gin Tonic oder Weißbier gegen die Mücken hilft. Vor den Lokalen in der Nähe ist bald kaum ein Tisch mehr frei. Selbst auf dem Aussichtsturm mitten im Schilf kann man ungestört den Blick über den See genießen. So sieht das also aus in dem Ort, in dem so oft das Wort "Katastrophe" fällt, wenn es um die Mückenplage geht, in dem zeitweise kein Insektenschutzmittel mehr zu kaufen war, wo überall der Duft von Räucherspiralen in der Luft hängt. Tagsüber macht die Plage Pause im Krisengebiet. "Seit zwei Tagen hat es sich entspannt", sagt Christine Gottschalk, die den Kiosk vorne am See betreibt.
Zwischen entspannt und katastrophal liegen in Dießen derzeit nur ein paar Meter oder ein paar Stunden. Das ist eine Frage von Zeit und Ort. Am Ufer, dort, wo die Sonne scheint und ein leichter Wind weht, rasten um die Mittagszeit von Insekten unbehelligt Radler. In der Abenddämmerung dagegen war es dort in dieser Woche wegen der Plagegeister kaum auszuhalten. "Da war die Promenade leer", erzählt Christine Gottschalk. Ihren Kiosk hat sie darum oft schon zwei Stunden früher zugesperrt als sonst im Sommer.
Wegen der Mückenplage bleiben einige Terrassen und Biergärten am Ammersee leer. Rosa Fiorella ist davon ebenso betroffen ...
wie Klaus Strobl in Eching.
Die Tische im rückwärtigen Bereich des Unterbräu in Dießen sind zwar dekoriert, aber nicht gedeckt. Fotos: Georgine Treybal
Schattige Plätze sind auch tagsüber schwierig. Unterbräu-Wirt Martin Brink hat darum seinen rückwärtig gelegenen Biergarten im Schatten von Bäumen eine Woche lang gar nicht mehr geöffnet. "Das geht nicht, auch mit Autan oder Räucherspiralen. Die Mücken sind überall, die fallen auch ins Bier", sagt er. Seine Stammgäste haben es an diesem Freitag in dem Biergarten versucht, wo sie sonst immer sitzen, haben aber bald aufgegeben und sind nach vorne zur Straße hin umgezogen. "So schlimm wie heuer war es noch nie", meint Josef Feistl und erzählt dann lachend, dass er eigentlich an diesem Vormittag in seinem Auto staubsaugen wollte, von den Mücken aber davon abgehalten wurde. Nun sitzt er hier beim Bier. Einer seiner Spezln erzählt, er habe kürzlich mit Skibrille und Mütze Rasen gemäht und zeigt auf seinem Handy ein Selfie von seiner Vermummung. Auch der Wirt nimmt's gelassen. "Premium-Lage, Premium-Plage", albert Brink.
Rosa Fiorella ist der Humor dagegen vergangen. Die Wirtin der Pizzeria La Gondola kann seit einer Woche ihre Terrasse kaum benutzen. Gerade kommen zwei Urlauber aus Unterfranken an, suchen sich einen Platz an einem Tisch im Freien, stehen aber bald wieder auf und gehen ins Lokal hinein. "So geht das seit einer Woche", erzählt Rosa Fiorella. Beim schönsten Wetter sei es draußen kaum auszuhalten. Wegen der Mücken. Gäste hätten sich wegen der Plagegeister sogar das Essen einpacken lassen und seien gegangen. Insektenspray hätten sie auf Vorrat gekauft; das bringen die Bedienungen gleich mit der Speisekarte an den Tisch. "Es ist eine Katastrophe", sagt die Gastronomin. "Wir haben 30 Prozent weniger, wenn die Mücken da sind", sagt ihr Lieferant Oliver Enste von der Markthalle Landsberg, der gerade Parmesan-Käse gebracht hat.
So wie in Dießen vertreiben die kleinen Plagegeister auch in vielen anderen Orten am Ammersee die Gäste aus den Biergärten. Zum Beispiel im Gasthof Eberhardt in Eching. "Der Biergarten ist leer, selbst beim schönsten Wetter", erzählt Ulrike Gärtner, die Schwester vom Wirt Klaus Strobl. So lange die Mücken so penetrant sind, flüchten die Gäste lieber in die Gaststube, bei verschlossenen Türen und Fenstern.