Süddeutsche Zeitung

Mücken:Kleine Stiche, großer Protest

Am Ammersee demonstrieren Gemeinden gegen eine angebliche Mückenplage

Von Astrid Becker, Herrsching

Um es gleich zu sagen: Eine Frage kann heuer nicht eindeutig geklärt werden. Und zwar, ob dieses Jahr ein besonders schlimmes Mückenjahr ist oder nicht. Die Einen sagen so, die anderen so. Feststeht, dass die kleinen zweiflügeligen Plagegeister noch mehr Aufmerksamkeit erregen als in all den Jahren zuvor im Fünfseenland. Denn spätestens seit am Chiemsee großflächig Mückenbekämpfung betrieben wird, stellt sich alljährlich in den Seegemeinden die Frage, ob man dem Vorbild des sogenannten bayerischen Meeres nicht folgen und so einen Antimückenkrieg anzetteln sollte. Bislang führten die Debatten immer zu keinem Ergebnis. Denn um das durchzusetzen, müssten sich die Seekommunen einig sein und erst einmal gemeinsam für die vorgeschriebene Kartierung der vorhandenen Mückenarten aufkommen. Mindestens eine Gemeinde scherte immer aus - mit der Folge, dass sich die anderen gar nicht mehr groß mit der Frage "Mückenbekämpfung - ja oder nein" befassten, weil ohnehin klar war, dass man sich nicht einig werden würde.

In diesem Jahr allerdings ist das ein wenig anders. Anfang Juni wartet die Wirtin des "Strandhauses" in Eching am Ammersee, Miriam Pavic, mit einer Schreckensmeldung auf: Sie habe ihr Lokal am Wochenende zuvor kurzfristig geschlossen, weil jeder Mitarbeiter und Gast im Durchschnitt 40 Mal gestochen worden sei. Weil das nachvollziehbarerweise recht unangenehm ist, vor allem fürs Sommergeschäft, gründet die Gastronomin mit fünf Mitstreitern die Initiative "Mückenplage - nein danke." Besonders bemerkenswert dabei ist die Tatsache, dass es in den Jahren zuvor gerade die Gemeinde Eching war, die immer wieder eine großflächige Mückenbekämpfung abgelehnt hatte. Im Gemeinderat Inning beispielsweise wurden daher längere Diskussionen zu diesem Thema meist mit dem Hinweis auf die ablehnende Haltung der Nachbarkommune im Keim erstickt. Heuer aber tritt die Inninger Grünen-Gemeinderätin Barbara Wanzke als Unterstützerin der Initiative auf. Sie nimmt an einer Fortbildung teil, in der umfassend über den Einsatz des natürlichen Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) gegen die Mückenplage informiert wird. Wanzke ist begeistert und informiert auch gleich den Kreistag, in dem sie ebenfalls sitzt. Auf rechtes Gehör will sie dort aber nicht soßen.

Derweil bleiben die Initiatoren von "Mückenplage - nein danke" nicht untätig. Sie sammeln kurz nach ihrer Gründung schon 1000 Unterschriften und gründen eine Homepage, in der Mückengeplagte ihr Leid schildern können. Mit Veranstaltungen am See, einer Demo etwa, buhlen sie um Gehör. Und zunächst sieht es so aus, als würde die Gemeinde Herrsching ein Einsehen zeigen. Anfang November erwägt die Kommune, die Bakterien gegen die Mücken einzusetzen. 60 Stellungnahmen dafür legt die Initiative im Rathaus vor. Experten dazu werden in die Gemeinderatssitzung eingeladen, aber: Am Ende lehnt das Gremium den Einsatz von BTI ab. Anders in Wörthsee: Dort stimmt man immerhin der Kartierung zu. Doch die Bewohner dort schwören, zumindest heuer kaum Mücken gesehen zu haben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3805953
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.12.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.