Mitten in Weßling:Der Flow der Hauptstraße

Die Ortsdurchfahrt ist eine Komposition. Man muss sie nur zu würdigen wissen

Von Wolfgang Prochaska

Die Weßlinger Hauptstraße ist inzwischen ein wichtiger Parcours, um das Autofahren in seiner Perfektion zu erlernen. Es gibt alles, was man in der Fahrschule noch nicht gekannt hat und wahrscheinlich auf diese Weise niemals erlernen wird. Es gibt in der viel befahrenen Straße, die eigentlich von einer Ortsumfahrung entlastet werden sollte, künstliche Engstellen, neue Verkehrsinseln und sogar kleine Leitsysteme, die den Verkehr mehr in die Straßenmitte treiben sollen. Dies - so heißt es in der Gemeinde - stellt natürlich nur ein Provisorium dar, dennoch muss man davon ausgehen, dass die Hauptstraße eine Zeitlang so bleiben wird.

Der Komponist dieser Straßenführung stammt, wie kann es anders sein, aus einer Künstlerfamilie und heißt Roland von Rebay. Sein Vater war Architekt und Maler, also ein wunderbarer Mensch. Die Straßenführung, die sich Rebay ausgedacht hat, folgt dem klassischen Kompositionsprinzip, mit langsamen, fließenden Teilen, wie etwa in Höhe der Grünsinker Straße oder nach vorne strebenden wie im Bereich des Eiscafés. Es gibt natürlich auch Schnörkel, Verzierungen, etwa der verbreiterte Fußgängerweg an der Ampel. Der Autofahrer hat für diese hohe Kunst natürlich nur wenig Verständnis, lässt sich aber dennoch nicht abhalten, anstatt der neuen Umfahrung die Hauptstraße zu benutzen. Etwas Magisches muss von dieser Ortsmeile ausgehen. Wenn man den Rhythmus einmal entdeckt hat, dann will man dort ewig fahren. Michael Muther, der Weßlinger Bürgermeister, ist der Straße und ihrem Flow schon verfallen. Nach eigenen Angaben fährt er die Strecke sechsmal am Tag. Und er fährt sie nicht schneller und nicht langsamer als mit 40 Stundenkilometern. Denn bei diesem Tempo wäre alles perfekt, kein Stress, kein Stau.

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