Mitten in Starnberg:Stress in der Idylle

Wer als Autofahrer Traktoren vor sich hat, der ahnt, was eine verkehrsberuhigte Strecke ist

Von JULIA STURM

Wenn sich der Arbeitsweg ändert - raus aus der Münchner Innenstadt, weg vom öffentlichen Nahverkehr, hin zu einer Überlandfahrt mit dem Auto von Icking nach Starnberg - erwartet man sich eigentlich Positives. Von Tür zu Tür im Auto, ohne Zugausfälle und Verspätungen. Das Navi veranschlagt für die 17,6 Kilometer lange Strecke eine Fahrzeit von 20 Minuten.

Man könnte fast die ganze Strecke glatt als "verkehrsberuhigt" bezeichnen. Dieses Attribut beschreibt die Situation gar nicht schlecht. Beruhigt ist der Verkehr, an jenem Morgen, nämlich spätestens dann geworden, als wieder einmal ein ganzes Stück vor der Ortseinfahrt Ebenhausen eines der zahlreichen landwirtschaftlichen Nutzfahrzeuge vor dem eigenen Fahrzeug auftaucht. Mit ländlicher Gemächlichkeit ruckelt der Traktor nun vor einem über die Landstraße, das Schild auf seiner Rückseite - Geschwindigkeitsbegrenzung 40 Stundenkilometer - ruckelt gemütlich mit. Ein Traktor mit Heu beladen zwischen grünen Wiesen mit Kühen, im Hintergrund die Alpen vor weißblauem Himmel. Gut fotografiert gäbe es ein wunderbares Postkartenmotiv ab - idyllisch, stressfrei, sieht eben so richtig nach Land aus.

Für jemanden, der seinen Wecker so einstellt, dass möglichst wenig wichtige Schlafenszeit am Morgen verloren geht, beginnt nun allerdings der pure Stress. Durch leichte Ausscheren nach links versucht man eine Möglichkeit zum Überholen abzupassen. Doch es geht nicht und der Gegenverkehr ist zu schnell. So bleibt einem nichts anderes übrig, als sich hinter dem Traktor einzureihen und zu hoffen, er werde bald abbiegen. Nach etlichen Minuten des Hoffens bei eigentlich beschaulicher Überlandfahrt und stetig steigender Nervosität wird die Bitte endlich erhört. Der Landwirt verlässt die Bundesstraße und fährt auf einen Feldweg ab. Man wittert eine Chance - vielleicht kann man den Arbeitsplatz doch pünktlich erreichen. Man tritt aufs Gaspedal. Bis zur nächsten Kurve. Dort lauert der nächste Traktor. Der gute Vorsatz, den Wecker auf eine frühere Uhrzeit zu stellen, hält nach der verspäteten Ankunft einige Zeit vor. Nämlich genau bis abends.

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