Mitten in Starnberg:Squaw, Igel und Karl Roth

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Früher war vieles besser, Silvester mit den Eltern zu Hause war es eher nicht

Von Gerhard Summer

Vor langer, langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, aber auch nicht wahnsinnig viel, war Silvester eine eher ruhige Sache. Trotzdem kriegten sich die Kinder vor Vorfreude gar nicht mehr ein. Was daran lag, dass sie sonst nicht viel zu tun hatten. Außer im Frühjahr Gladiatorenkämpfe auszurichten, im Sommer die weiße Squaw von nebenan an den Marterpfahl im Garagenhof zu binden, im Herbst Drachen steigen zu lassen und im Winter in riesige, aus Schneequadern gebaute Iglus zu kriechen. An Silvester gab es also Feuerzangenbowle und einen Igel. Letzteres war ein kuchenartiges, mit gerösteten Mandeln gespicktes Ungetüm aus kaffeegetränkten Biskuits und Unmengen Buttercreme. Schon zwei Stücke davon zwangen sogar Apachen in die Knie. Gegen Mitternacht zündeten die von Bowle und Igel geschwächten Väter dann fünf, sechs Raketen, die aus einer Weinflasche starteten, in der sich zuvor Oppenheimer Krötenbrunnen befunden hatte.

Klar, das war beschaulich. Also eher dröge. Mehr noch: fast schon eine Zumutung. Aber zum Glück steht den Indianern und Eskimos von damals längst die Welt offen. Sie prosten sich auf dem Kilimandscharo zu und ziehen ihre Falten solange stramm, bis sie auf die Ü-30-Party im Starnberger Undosa dürfen. Sie waren an Bord, als die Concorde zur Jahrtausendwende durch fünf Zeitzonen rauschte und ihren Passagieren gleich zweimal Silvester bescherte, einmal in Paris, einmal in New York. Sie machen sich nach Helgoland auf, um an Neujahr auf einer Wattwanderung die ersten neugeborenen Heuler zu bestaunen. Sie düsen nach Berlin, zur größten Party der Republik, und gaffen besinnungslos vor Freude in den Himmel, wo 6000 Raketen verzischen werden. Die weiße Squaw wiederum lässt es seit Jahren, um nicht zu sagen: Jahrzehnten auf einem Bauernhof im Allgäu krachen. Ja, das klingt spektakulär. Nix da mit Oppenheimer Krötenbrunnen! Fetter Igel ade! Was übrigens Karl Roth heuer vorhat, der Landrat, der früher womöglich Cowboy war? Er feiert daheim in Andechs im Kreise seiner Lieben. Man muss sagen: Herrschaft, warum eigentlich nicht!

© SZ vom 31.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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