Mittwochs kommt die Müllabfuhr. Meistens. Zumindest immer dann, wenn auch der Nachbar den Gelben Sack vor die Tür stellt. Das scheint das wichtigste Kriterium für die Entsorgung zu sein. Völlig unabhängig davon, was im Kalender des Gemeindeblattes steht oder auf der Internetseite des Abfallentsorgers zu lesen ist: Nachbars Sack ist der Referenzpunkt. Und auch wenn der Mensch ja eigentlich Routinen mag und am liebsten darauf vertrauen würde, dass der Müll stets mittwochs abgeholt wird - so einfach ist das eben nicht. Es gibt Tage, da gelten geheimnisvolle Ausnahmen von der Regel. Und nur der Nachbar scheint sie zu kennen. Dann muss man achtsam sein und aufhorchen. Erst das Müllbeutelraschen verknüpft mit dem Rauhaardackelbellen aktiviert im Hirn die Synapsenverbindung für "Heute ist also Müllmittwoch!" Bloß was wenn die Nachbarn - es sind natürlich die mit dem Laubpuster - es ausgerechnet heute vergessen haben sollten? Und die ganze kleine Sackgasse mitgemacht hat beim Vergessen?
Vielleicht hat das Müllmitläufertum ja, soziologisch betrachtet, mit der Broken-Windows-Theorie zu tun, die ungefähr besagt: Wenn in einem Viertel eine Fensterscheibe zu Bruch geht und die Zerstörung nicht sofort repariert wird, dann greift der Vandalismus um sich und immer mehr Scheiben bersten. Übertragen: Ein Müllsack kommt selten allein.
Kurz überlegt man gar, ob es eine politische Botschaft sein könnte: Die Gelben lassen sich nicht aus dem Häuschen locken, aha. Doch dann kommt die Meldung, dass die FDP sich nun auf Ampel-Koalitions-Sondierungsgesprächen einlässt. Also schnell die Gelben Säcke rausgestellt, schließlich standen die doch auch in anderen Ortsteilen draußen, man hörte sogar das Müllauto piepsen, wie es rückwärts in der Gegend herumfuhr - nur hier am Hang nicht, wo der Nachbar heimlich herrscht. Von ihm erntete man prompt einen mitleidigen Blick über den Gartenzaun, der den entsorgungsmäßigen Alleingang quittierte. Nachbars Sack blieb drinnen und, natürlich, die Müllabfuhr ist nicht gekommen.