Mitten in Starnberg:Pöcking verleiht Flügel

Wenn Instrumente verschwinden müssen, ist nicht immer eine österreichische Brause daran schuld

Kolumne von David Costanzo

Dass eine Brause Flügel verleihen kann, haben Werber vor allem den Fernsehzuschauern in den vergangenen Jahren eingetrichtert. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ging das sogar so weit, dass der Hersteller vor Gericht einem millionenschweren Vergleich zustimmte, weil man gar nicht abheben kann, wenn man so ein Döschen aus Österreich kippt. Da werst narrisch!

Dass man auch Flügel verleihen kann, ohne dass irgendjemandem Federn aus dem Rücken wachsen, dass also das geflügelte Wort eine ganz und gar ungeflügelte Bedeutung haben kann, wurde darüber fast vergessen. Jedenfalls hat die Franziska-Günther-Stiftung der Stadt Starnberg wirklich einen Steinway geliehen (Modell D-274, schwarz poliert, Baujahr '95), der in der Schlossberghalle zärtliche Crescendi, nuanciert temperierte Kadenzen und furiose Finale aufs Trefflichste intonierte. So lange ist das her, 24 Jahre, dass manch einem Virtuosen zwischenzeitlich entfallen war, dass das Instrument gar nicht der Stadt gehört.

Die Pöckinger haben sich natürlich daran erinnert. Als die ihren Saal mit dem komischen Namen "Beccult" fertig hatten, war das Geld aus. Und da ist ihnen eingefallen, dass Franziska Günther ja die eigene Ehrenbürgerin ist und sie in ihrer Stiftung verfügt hat, Pöckinger Wünsche zu erfüllen. Nun wird das Gerät für 23 000 Euro auf Kosten der Starnberger saniert, die sich zärtliche Crescendi dann bald bei den Nachbarn im "Beccult" anhören können. (Um die Hintergründe dieses Namens zu erklären, müsste man eine eigene Zeitung drucken.)

Einen neuen Steinway gibt es vorerst nicht, haben die Stadträte beschlossen - unisono, versteht sich. Der würde an die 140 000 Euro und gebraucht immer noch 100 000 Euro kosten. Da die Stadt derzeit noch ärmer an Geld denn an Kultur ist, muss für Konzerte ("im begründeten Einzelfall", hieß es mahnend) einer gemietet werden oder der Yamaha-Flügel herhalten, der irgendwo auf furiose Finale wartet. So kann es gehen, wenn einem Flügel Flügel wachsen.

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