Es waren zwar nur ein paar wenige Tage, die man nicht zu Hause war. Doch dem Briefkasten sah man die kurze Abwesenheit nicht an: Aus dem Schlitz quollen die Briefe, Postwurfsendungen und Prospekte, im Fach hatte sich der Papierwust in Falten gelegt und ordentlich ineinander verkeilt, fast so wie ein uninspiriertes Papiermodell der Alpenentstehung. Deshalb fiel er zunächst in der geballten Masse gar nicht, auf, der unbestellte, aber brandneue Gartenkatalog. Einer von der ganz teuren Sorte, weshalb er das Interesse an der Lektüre schürte, obwohl man gar keinen Garten, sondern nur einen schmalen Balkon zur Verfügung hat.
Aber was für faszinierende Dinge darin standen: Zum Beispiel, dass die Bühler Frühzwetschge eine Kostbarkeit darstellt, seit sie vor rund 170 Jahren als Zufallssämling in Kappelwindeck in Baden entdeckt wurde. Oder dass es bereits jetzt im Frühling Speisepilzliebhaber in den (vorzugsweise eigenen) Wald zieht, wenn sogenannte "Frühpilze" wie der Märzschneckling, Fichtenzapfenrübling oder der blasige Becherling sprießen. Unverzichtbar beim Waldgang sei deshalb ein Pilzpflückmesser, wie etwa jenes aus Solingen mit einer Klinge aus rostfreiem Chrom-Molybdän-Stahl.
Nun, trotz schönster Lektüre kommt man irgendwann wieder in der Realität an: Eine Raritätszwetschge passt leider nicht auf den heimischen Balkon, und das Jagdfieber auf Pilze in den heimischen Wäldern ist seit dem Reaktor-Unglück in Tschernobyl noch immer erkaltet. Doch ein Trost bleibt: Aus zuverlässigen Quellen, die tatsächlich einen Garten ihr Eigen nennen, wird einem regelmäßig versichert, dass sich Unkraut überhaupt nicht darum schert, ob es mit einer handgeschmiedeten Hacke gejätet oder ganz rustikal mit der bloßen Hand ausgerupft wird. Nach drei Tagen ist es zuverlässig wieder da - genau wie der nächste Katalog mit unabdingbaren Innovationen in Hochglanzoptik.