Mitten in Starnberg:Carpe diem

Lesezeit: 1 min

Warum es unsinnig ist, gute Vorsätze zu fassen

Kolumne von Astrid Becker

Tempus fugit, sagt der Lateiner. Und wie recht er mit seinem "Die Zeit flieht" hat, zeigt die Tatsache, dass schon wieder ein Jahr vorüber ist. Manche werden depressiv, wenn sie nur daran denken. Was hatten sie sich alles für 2018 vorgenommen, und was alles davon nicht umgesetzt. Mehr Sport treiben zum Beispiel und dadurch ein paar Kilo Hüftgold verlieren. Stattdessen blicken sie an Silvester meist frustriert an sich herab. Die Hemdknöpfe platzen ab, das Sakko spannt, das enge Kleid sitzt irgendwie gar nicht mehr. Die Gans an Weihnachten, die vielen Plätzchen und Lebkuchen - alles hat so deutliche Spuren hinterlassen, dass es eigentlich an der Zeit wäre, mal wieder gute Vorsätze zu fassen.

Nur ist das meist sinnlos. Wer nun trotzdem glaubt, nur er sei so schwach und unfähig, seine Pläne wie "im nächsten Jahr trainiere ich für einen Marathon", (obwohl er noch nie gern gelaufen ist), oder "nächstes Jahr verzichte ich mal auf Süßes und Alkohol", (obwohl er unterm Tannenbaum einen Haufen Gutscheine gefunden hat, etwa für einen Braukurs, einen Rumdegustation und einen Pralinenkurs), sei an dieser Stelle zumindest damit getröstet, dass er sich in bester Gesellschaft befindet. Laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Forsa, schafft es gerade einmal die Hälfte der Befragten ihre Vorsätze fürs nächste Jahr umzusetzen - drei Monate lang und sogar noch mehr. Bei allen anderen sieht die Bilanz weit düsterer aus: 22 Prozent der Befragten halten sich weniger als einen Monat lang an das, was sie sich vorgenommen haben, sieben Prozent sogar nur ein paar Stunden lang. Experten raten daher dazu, sich gar nicht erst groß dem Gegrübel über Vorsätze hinzugeben, sondern sich realistische Ziele zu setzen.

Zum Beispiel, hie und da mal in den Tag hinein zu leben, viel Zeit mit lieben Menschen zu verbringen, die Natur zu genießen oder ein gutes Buch zu lesen. Horaz ist da durchaus empfehlenswert. Der hat immerhin in seiner Ode "An Leukonoë" den viel zitierten Satz geprägt: "Carpe diem", frei übersetzt mit "Genieße den Augenblick". Eindeutig ein lohnenswerter Vorsatz für 2019.

© SZ vom 31.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: