Mitten in Dießen:Kirsch und die Zinnteller

Hochzeitspaare erhalten vom Bürgermeister ein ungewöhnliches Geschenk

Von ASTRID BECKER

In Starnberg mag das ja vielleicht anders sein, aber am Ammersee sind die Bürgermeister noch richtig lieb zu ihren Gemeinderäten. In Dießen zum Beispiel gehört es seit Anbeginn der Zivilisation, wann immer das dort war, zum guten Ton, den Räten zu besonderen Anlässen ein kleines Geschenk zu überreichen. Richtig einfallsreich wird Herbert Kirsch da. Den Männern schenkt er zum Beispiel gern Zinnteller. Wahrscheinlich, weil das Heimatgefühl und Ortsverbundenheit ausdrückt. Schließlich ist die Gemeinde am Westufer des Ammersees nicht nur ihrer Keramik wegen berühmt, sondern auch wegen ihrer Zinngießereien. Das hat also Tradition dort, und Kirsch scheint genau dafür ein ausgeprägtes Bewusstsein zu besitzen. Das zeigt sich unter anderem darin, dass er genau zu wissen scheint, was wahre Männer brauchen: Zinnteller, Wein und Schnaps. Denn Alkoholika verschenkt er auch ganz gern. Aber nur an Kerle.

Neulich stand Kirsch allerdings vor einem Dilemma, als er ein Hochzeitspaar zu beschenken hatte. Weise entschied er sich für ein Gutscheinheft. Denn als Traditionalist weiß Kirsch genau, dass Frauen keinen Wein trinken und schon gar keinen Schnaps. Und Zinnteller nur mit Staubtüchern anfassen. Deshalb beinhaltete sein Geschenk auch einen Gutschein für ein Haushaltswarengeschäft. Damit sich die Dame mit genügend Utensilien ausstatten kann, um die Zinnteller und Schnapsflaschen ihres Mann sauber und gepflegt zu halten. Das ist echte Weitsicht. Dumm daran ist nun bloß, dass das mit den strengen Geschlechterrollen heutzutage nicht mehr stimmt, und viele Männer längst den Haushalt als ihre Domäne verstehen. Und Frauen auch gern mal ein Gläschen trinken. Aber vielleicht ist auch das am Ammersee so ganz anders als in Starnberg.

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