Mitten in der Region:Platonischer Schneeball

Den alten Griechen und dem Fußball haben wir viel zu verdanken. Wie schön, wenn beides zusammenkommt

Kolumne von Laura Geigenberger

Was haben wir nicht alles den alten Griechen zu verdanken. Ihre Kultur war es, die das Reden zu einer Leidenschaft werden ließ und die Rhetorik zu einer lernbaren Kunst entwickelte. So wusste schon der antike Philosoph Platon: Brillante Redner sind Herzensbrecher - er schrieb der Sprechkunst sogar die Macht zu, "andere Seelen enthusiastisch zu machen". Nun ist es so, dass der Begriff "Enthusiasmus" - es verwundert kaum - ebenfalls dem Griechischen entstammt. Platons Lehrer Sokrates empfand "enthousiasmos" einst als einen Zustand des Wahnwitzes, allerdings nicht im negativen Sinne, sondern als eine Art "göttlichen Wahnsinns".

In der heutigen, von sozialen Netzwerken barbarisierten Gesellschaft finden sich kaum noch kulturelle Gemeinsamkeiten mit den Altgriechen. Sollte man zumindest meinen. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, wie sehr die Weisheiten Platons und Sokrates' sich doch noch immer in unserem Alltag manifestieren - im Fußball beispielsweise. Nirgendwo sonst wird heutzutage mehr Redekunst angewandt als in Sportlerinterviews, nirgendwo sonst überdauern Zitate wie "Was erlaube Strunz!?" (Trapattoni), "Wir sind eine gut intrigierte Truppe" (Matthäus) oder "Eier! Wir brauchen Eier!" (Kahn) ganze Generationen. Dem kollektiven Glücksgefühl geht allerdings die Erfüllung des ultimativen Fußballgrundsatzes voraus. Diesen hatte 1954 der damalige Bundestrainer Sepp Herberger formuliert: "Das Runde muss ins Eckige."

Vermutlich ist es genau dieses Gefühl, das ein Unbekannter selbst einmal verspüren wollte. Ganz nach Herbergers Erfolgsrezept beförderte er das Runde ins Eckige, genauer gesagt: Er warf einen Schneeball in die Scheibe des Weilheimer Stadtmuseums, wie die Polizei mitteilt. Er traf, es klirrte, er flüchtete. Dass der Täter nach seinem Volltreffer jubelnd eine Ehrenrunde drehte, ist nicht überliefert.

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