Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Müsli, das Pubertier

Junge Hunde sind jungen Menschen gar nicht so unähnlich

Kolumne von NICOLE GRANER

Komm!" Keine Reaktion. Der Kopf der acht Monate alten Hündin ist zur Seite gedreht. "Komm!" Ein Ohr ist aufgestellt. Müsli hört den Befehl also sehr wohl, will bloß nicht. Irgendwann bequemt sie sich dann doch. Super. Funktioniert ja echt toll, die Hundeerziehung! Müsli spielt mit Artgenossen. Noch ein Versuch. In einem passenden Moment wird sie abgerufen. "Müsli! Komm!" Und, kaum zu glauben, sie kommt auf das Frauchen zugelaufen. Kurz vor ihr dreht sie plötzlich ab. Ein frecher Blick zur Erziehungsberechtigten. Dann nichts wie ab und schnurstracks zurück zur Gang. Vom "Platz machen" ganz zu schweigen. Prima. Beim Spaziergang bellt sie plötzlich, ohne Grund, eine Frau an. Die muss sich vor Schreck erst einmal auf die nächste Bank setzen. Ne, ne, Müsli. Das geht gar nicht.

Nicht folgen. Das Gegenüber auf seine Nervenstärke austesten, machen, was man will. Da war doch mal was? Ja, genau. Die Kinder in der Pubertät. Neue Moden, stundenlanges Diskutieren, später heimkommen als ausgemacht, Nagellack-Wahnsinn. Aufräumen? Fehlanzeige! Das war einmal. Jetzt mault der Hund, zeigt aufmüpfig, dass er null an Kommandos interessiert ist. Das Wohnzimmer ist plötzlich sein Revier, er bellt, wenn man sich ganz in Ruhe aufs Sofa setzen will. Müsli will in den Garten, dann wieder nicht. Ach, doch noch mal! Tür auf, Tür zu. Und nachts wacht man auf, weil ein Hund auf einem liegt: winselnd, den Kong - für Nicht-Hundehalter: ein Spielzeug - im Maul. Ist nur ein Traum, oder? Mitnichten. An der Bettdecke wird herumgezupft, an den Füßen geknabbert. Das Donnerwetter folgt. A Ruah is ...

Ja, die einzige Chance wie einst bei den Kindern: Ruhe bewahren, die Regeln nicht aufweichen, koste es, was es wolle, und der Aufmüpfigkeit unendlich viel Liebe entgegensetzen. Eine allabendliche Streichelstunde zum Beispiel mit Rückenmassage hilft. Pubertier kommt zur Ruhe. Wird ziemlich dösig und schläft. Und der Kong bleibt nachts, wo er ist.

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Quelle:
SZ vom 24.02.2020
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