Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Region:Fiese Blutsauger im Anflug

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Das Mitgefühl für die kleinen Krabbel- und Flattertiere verpufft schnell, wenn sich der Mensch ernstlich gestört fühlt

Kolumne von Alexandra Vettori

Gerade noch wäre man fast in Tränen ausgebrochen, wenn ein dicker Brummer auf der Windschutzscheibe des Autos zerplatzte, und jetzt das: eine Mückenplage. Vor Kurzem hat es einen Fußballspieler am Ammersee erwischt, er musste ins Krankenhaus, weil ihm nach mehr als 460 Mückenstichen nicht mehr recht wohl war. In Weilheim hat der Gemeinderat zum Schutz vor den Stechviechern die Stege an einem Badesee gesperrt, eine Wirtschaft hat dicht gemacht, und eine Bürgerinitiative soll es auch schon geben. Auch im nicht ganz so feuchten Münchner Norden herrscht schon Alarmstimmung. In Haimhausen im Landkreis Dachau ist eine für das Wochenende geplante Techno-Party vorsorglich wegen der fiesen Blutsauger abgesagt worden, gegen die helfen auch die Glückspillen der Raver nicht.

So ist sie, die Natur. Kein Kalkül, keine Taktik, kein PR-Berater, immer nur Ursache - Wirkung. Im Mai hat es viel geregnet, es blieben Pfützen, ideal für die Larven der Stechmücke. Und so schwärmen sie aus, ohne Rücksicht auf das Volksbegehren Artenvielfalt, auf das Insektenimage und darauf, dass das gerade erst aufkeimende Mitgefühl für die kleinen Krabbel- und Flattertiere schnell wieder verpufft, wenn sich die ganz große Plage, der Mensch, ernstlich gestört fühlt.

Im Haager Gemeinderat schmiedet man schon erste Pläne. Man träumt von großflächiger Mückenlarvenbekämpfung mit Bacillus thuringiensis israelensis (Bti), das auch im Ökolandbau eingesetzt wird. Blöderweise braucht es viele Genehmigungen, schließlich soll in einem Naturschutzgebiet gespritzt werden. Und: Das Mittel sollte nur in Pfützen gelangen, wo die Mückenlarven keine Fressfeinde haben, in stillen Gewässern dagegen verhungern ohne sie Libellen und kleine Fische. Problem Nummer zwei: Mücken fliegen 15 Kilometer weit, eine Bekämpfung ist also nur großflächig sinnvoll. Beim nächsten Treffen des Ampertalrats, immerhin neun Gemeinden, wird das Thema besprochen. Ob sich die Giftkeule 2020 lohnt, weiß man da noch nicht. Es könnte auch ein trockener Frühling ohne viele Mücken werden.

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Quelle:
SZ vom 19.06.2019
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