Maro-Insolvenz:29 Millionen Euro Vertrauen auf der Kippe

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So soll es einmal aussehen, das Gebäude der Maro in Andechs. Geht es nach dem Vorstand der Baugenossenschaft, wird der Bau trotz der Insolvenz Anfang 2025 fertiggestellt. (Foto: Jonas Bloch/Dressler Mayerhofer Rössler Architekten)

Im März musste die Maro-Genossenschaft Insolvenz anmelden. Ihre Bauprojekte liegen seitdem auf Eis. Was bedeutet das für die Bewohner, die in den Sommerferien in Andechs einziehen sollten?

Von Leopold Beer, Linus Freymark, Andechs

Eigentlich haben Andrea G. (Name geändert) und ihre Familie großes Glück gehabt. Es ist ja schließlich alles andere als normal, im Großraum München eine Genossenschaftswohnung zu bekommen – noch dazu in einem Neubau. Aber für G., ihren Mann und die drei Kinder sah es gut aus. In den kommenden Sommerferien sollte der Umzug nach Andechs erfolgen, die Wohnungsbaugenossenschaft Maro baut dort ein Mehrgenerationenhaus. G. und ihre Familie haben sich sehr darauf gefreut, dort bald einziehen zu können.

Und jetzt? Steht alles auf der Kippe. Denn im März hat die Maro Insolvenz angemeldet. Seitdem liegen die Bauarbeiten auf Eis. Und die künftigen Bewohner wissen nicht, ob sie jemals in Andechs einziehen können. 31 Wohnungen sollten dort entstehen.

Die 2012 gegründete Maro hat bayernweit 22 Großprojekte, teils im Bau, teils bereits fertiggestellt. Sie gilt als funktionierende Genossenschaft. Grund für die derzeitige finanzielle Schieflage der Maro ist ein Bauprojekt in Landsham im Landkreis Ebersberg. Drei Banken sind aus dem Vorhaben ausgestiegen. Sie gewährten Kredite in Höhe von zwölf Millionen Euro. Diese Lücke muss die Genossenschaft jetzt schließen.

Wie die Maro am Mittwoch mitgeteilt hat, ist inzwischen Ivo-Meinert Willrodt zum Insolvenzverwalter bestellt worden. Eigentlich wollte die Firma in Eigenregie einen Insolvenzplan erstellen. Wegen des „hohen zeitlichen Drucks“ sei dies jedoch nicht mehr möglich, erklärt die Maro. Es sei aber nach wie vor das Ziel, „die Maro-Genossenschaft mit ihren besonderen Wohnformen in überwiegenden Teilen zu erhalten“, so Willrodt. Hoffnung dafür gibt der Erfolg einer initiierten Unterstützungsaktion: Privatleute haben bereits mehr als 1,7 Millionen Euro für den Erhalt der Maro zugesagt.

Jetzt Insolvenz anmelden zu müssen, „war sehr tränenreich“, so Okrslar

Die jetzige Schwebesituation zwischen Auflösung und Weiterführung der Genossenschaft ist für die Mitglieder belastend. Nach eineinhalb Jahren gemeinsamer Vorbereitung mit den anderen Bewohnern auf den Einzug in Andechs „hängen wir nun in der Luft und wissen gar nicht, wie es weitergeht“, erzählt Erzieherin Andrea G. „Das zehrt schon sehr an den Nerven.“ Hinzu kommt, dass die Familie bereits viele Hundert Euro in die Mitgliedschaft investiert hat. Dennoch fielen die Reaktionen bislang überwiegend rational, freundlich und entgegenkommend aus, so Martin Okrslar, Gründer und Vorstand der Maro. „Die Mitglieder sind wirklich unser Fanklub.“

„Ich bin nicht so gerne ein Fangirl“, sagt dagegen die 32-jährige G. Dennoch fände sie es „cool, wenn Leute Ideen umsetzen und damit für andere Menschen tolle Möglichkeiten eröffnen“. Dass es nach Jahren des Erfolgs für die Maro nun steil bergab geht, belastet den Vorstand. „Wir haben uns viele Jahre mit Herzblut reingehängt“, so Okrslar. Jetzt Insolvenz anmelden zu müssen, „war sehr tränenreich“.

Die Bagger stehen still in Andechs. Was bedeutet das für die Familien, die in das Mehrgenerationenhaus ziehen sollten? (Foto: Nila Thiel)

Die künftigen Bewohner haben währenddessen mit finanziellen Sorgen zu kämpfen. Das liegt schlicht am Genossenschaftsmodell. Denn die Mitglieder müssen sich in die Maro einkaufen. Diese Anteile sind das Kapital der Wohnungsbaugenossenschaft. Von dem Geld werden im Fall einer Insolvenz offene Rechnungen von Handwerksunternehmen und Kredite von Banken beglichen. Erst im Anschluss würde das verbleibende Geld an die Genossenschaftsmitglieder verteilt werden. Vorstand Okrslar erklärt, dass daher im Falle einer Abwicklung der Maro die Mitglieder „sehr wenig bis gar nichts“ bekämen. Für ihn sei also am wichtigsten, den Schaden bei den Mitgliedern möglichst gering zu halten. „Wir haben 29 Millionen Euro an Genossenschaftsanteilen, das sind 29 Millionen Euro Vertrauen.“

Misslingt die Rettung der Maro, werden bereits fertiggestellte Wohnungen und im Bau befindliche Gebäude verkauft. Der Vorstand der Genossenschaft arbeitet auch an diesem „ungeliebten Plan B“. Ziel sei es in einem solchen Fall, „einen Käufer zu finden, der auch zur Maro passt“, erklärt Okrslar. „Setzen uns die Banken aber die Pistole auf die Brust, müssen wir irgendeinen Käufer zu irgendeinem Preis finden.“

Bezahlbarer Wohnraum ist schwer zu finden

Das würde höchstwahrscheinlich auch das Ende der sozialen Zwecksetzung der Maro bedeuten, nämlich bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Viele der Wohnungen werden im Rahmen der einkommensorientierten Förderung (EOF) der Bayerischen Landesbodenkreditanstalt (BayernLabo) gefördert. Konkret bedeutet das für Andrea G. und ihre Familie, dass die monatliche Miete rund 1000 Euro niedriger ist als für vergleichbare Wohnungen im Fünfseenland. „Mein Mann und ich arbeiten in sozialen Jobs“, erklärt G., „die Mieten sind für uns mancherorts nicht mehr bezahlbar.“

Derzeit laufen Bemühungen um die Rettung der Maro. Es profitiere jeder von bezahlbarem Wohnraum, erklärt G. Schließlich seien Erzieher, Altenpfleger, Krankenpfleger und Handwerker überall gefragt. „Die Insolvenz der Maro geht alle was an“, schlussfolgert sie. Es lohne sich für die Politik, der Maro wieder auf die Beine zu helfen. Denn andernfalls müsse sich die Staatsregierung selbst um bezahlbaren Wohnraum kümmern. Diese könne „froh sein, dass das bisher andere für sie getan haben“.

Der Andechser Bürgermeister Georg Scheitz (CSU) möchte bezahlbaren Wohnraum in der Region schaffen. (Foto: Nila Thiel)
Für die Rettung der Maro: Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, setzt sich für den Erhalt der Genossenschaft ein. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Auch der Andechser Bürgermeister Georg Scheitz (CSU) sagt: „Uns war wichtig, dass viele aus der Region bezahlbaren Wohnraum bekommen.“ Ebendarum habe die Gemeinde der Maro das Grundstück zur Verfügung gestellt, so Scheitz. Er setzte sich dafür ein, dass das auch nach der Insolvenz so bleibe. Deswegen habe er der Staatsregierung einen Brief geschrieben. Auch Landtagsabgeordneten liegt viel an dem Erhalt der Genossenschaft. Florian von Brunn, der Fraktionsvorsitzende der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, hat kürzlich die Staatsregierung aufgefordert, das Projekt zu unterstützen.

Ob die Bestrebungen der Politiker von Erfolg gekrönt sind, bleibt abzuwarten. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung heißt es aus dem zuständigen bayerischen Bauministerium: Unterstützungsmaßnahmen, die „zur Überbrückung finanzieller Schwierigkeiten dienen, können nicht angeboten werden.“ Das bedeutet: Vorerst gibt es vonseiten des Freistaats wohl kein Geld für die Maro.

Martin Okrslar, Vorstand der Maro, gibt die Hoffnung nicht auf. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Hoffnung möchte der Maro-Vorstand dennoch nicht aufgeben. Für die Baustelle in Andechs sieht es laut Okrslar gut aus. „Die finanzierende Bank für Andechs hat Interesse an der Fertigstellung“, erzählt er. Ein Großteil sei bereits fertiggestellt. Fußboden, Wandanstrich, Waschbecken und Gartenbau seien zwar noch zu erledigen. Es sei dennoch „durchaus denkbar“, dass die Wohnungen im ersten Quartal 2025 bezugsfertig sind.

Das entspräche auch dem Wunsch von Andrea G. und ihrer Familie. Überzeugt hat die Erzieherin nämlich das Konzept des Mehrgenerationenhauses. „Bei der Entscheidung für die Maro ging es nicht nur ums Geld“, verrät sie. Früher habe sie es sich nicht vorstellen können, so eng mit ihren Nachbarn zusammenzuleben. Inzwischen sei es „eine wahnsinnige Erleichterung“, sich auf eine funktionierende Nachbarschaft verlassen zu können. Einen Plan B hat die Familie bisher nicht. Sie hofft auf eine Rettung der Maro.

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