Kennt ihr das? Da hockt man an Weihnachten friedlich mit der Familie zusammen, und irgendeiner schneidet nach dem dritten Glühwein ein doofes Thema an. Bei uns ist das immer der Onkel Ansgar. Das ist so einer, der in diesem Zustand immer über die Vergangenheit schwadroniert. Darüber, dass früher alles besser gewesen sei. Weil es da noch echte Vorbilder gegeben habe. Die seien wichtig, sagt er, weil die Eigenschaften besäßen, die man selbst nicht habe, denen man aber nacheifern könne. Nelson Mandela zum Beispiel, Che Guevara oder auch Jane Goodall. Und Freddy Quinn und Hansi Hinterseer.
So ein Schmarrn. Der Onkel Ansgar ist bloß nicht auf sozialen Medien unterwegs. Sonst wüsste er, wie viele sogenannte Vorbilder sich da herumtreiben. Cristiano Ronaldo etwa, Barack Obama, Beyoncé oder Selena Gomez. Ja – und Markus Söder.
Ok, der bayerische Ministerpräsident kann zahlenmäßig nicht ganz so viele Follower vorweisen, wie Fußballstar Ronaldo oder Superstar Beyoncé. Aber Zigtausende, nein schon mehr als eine Million schauen sich an, was er wo isst, und wie gut er singen kann: die deutsche Version von der „Mary Ann“ (in „Inas Nacht“ im Juni) oder neuerdings „Winter Wonderland“ auf Deutsch. Das offenbart zumindest Söders wahre Vorbilder. Nicht der Franz Josef Strauß ist es, von dem er laut eigenen Aussagen ein Bild in seinem Jugendzimmer hängen hatte. Sondern Freddy Quinn und Hansi Hinterseer. Denen eifert er jedenfalls jetzt nach. Worüber Onkel Ansgar womöglich dann doch besser informiert ist als ich.

Aber was er sicher nicht weiß, ist, dass Bayerns Super-Ministerpräsident (zumindest aus Sicht von Markus Söder) nun selbst als Vorbild herhalten könnte. Das habe ja nicht einmal ich erwartet. Schon gar nicht von Landrat Stefan Frey, selbst wenn der wie Söder bei der CSU ist. Was aber in der Regel an der sogenannten Parteibasis so gar nichts aussagt. Denn da mögen sie den Söder nicht immer so gern, wie er sich selbst. Aber im Wahlkampf ist auch an der Basis jedes Mittel recht. Sogar Weihnachtspullover. Die trägt nämlich neuerdings nicht nur der Söder in den sozialen Medien, sondern auch der Frey bei seinen Weihnachtsgrüßen auf Facebook und Instagram.
Freilich: Während Söders Lieblingspulli wahrscheinlich der mit seinem eigenen Konterfei ist, setzt unser Landrat bei seinen Pullovermotiven auf Eisbär und Rentier. Anders als Söder verlost er immerhin seinen Pulli nicht. Er zeigt ihn nicht mal ganz her: Stattdessen hat er sich eine Daunenjacke übergeworfen. Psychologen würden bei diesem Outfit vielleicht feststellen, dass der Söder den Frey nicht ganz überzeugen kann mit seiner Selbstdarstellung. Ich würde es anders formulieren: Der Frey braucht einfach gar kein Vorbild, dem es nachzueifern gilt. Schon gar nicht in Gestalt eines Söders. Möge das so bleiben – egal, ob Onkel Ansgar das passt oder nicht.

