Sie haben ja schon einiges auf dem Kerbholz: Die Maibaum-Diebe Inning schlugen etwa im vergangenen Jahr auf der Wiesn und im Schondorfer Landheim zu. Schon vor sieben Jahren düpierten sie auf dem Garchinger TU-Campus eine studentische Wachmannnschaft. 2019 fiel ihnen sogar ein kroatischer Maibaum in die Hände, der in Vaterstetten bereitlag, um in der Partnerstadt Trogir ein Freundschaftsfest zu schmücken. Das brachte dem nachtaktiven Teil der Inninger Landjugend eine Reise an die Adria ein - Kost und Logis musste die Gang freilich selbst bezahlen.
Doch ihr aktueller, 18. oder 19. Coup schlägt in einer Hinsicht alle vorhergehenden: Diesmal gelang es den Burschen, einen Baum zu entwenden, der bereits gestohlen war. „Das gabs noch nie und ist die Höchststrafe für Maibaumdiebe“, findet ein Sprecher der Maibaumdiebe Inning (MDI), der hier nicht namentlich genannt werden will.
Ihre übertölpelten Kollegen vom Allacher Burschenverein sind freilich selbst schuld, hatten sie doch ihren Coup sofort im Radio ausposaunt und sich mit einem Video mit ihrem Husarenstück in den sozialen Netzwerken gebrüstet - dabei aber auch versehentlich im Filmchen gezeigt, wo sie das Diebesgut aufbewahrten. Montagnacht vergangener Woche hatten die Allacher den unbeaufsichtigten Maibaum aus einer Privatschule in Gern gemopst. Angesichts der vermeintlich wohlsituierten Klientel des Ganztags-Gymnasiums - das jährliche Schulgeld beläuft sich auf 10 000 Euro - witzelte ein Entführer im Radio, sich diesmal nicht wie branchenüblich mit Bier und Brotzeit abspeisen zu lassen und stattdessen Kaviar und Champagner als Lösegeld zu erwarten. Und ein Bursche verspricht noch großspurig auf Instagram: „Liebe Nymphenburger Privatschule, macht euch keine Sorgen. Euer Maibaum ist in guten Händen. Bis zur Auslöse passen wir darauf auf, als wäre es unser eigener.“
Manchmal rächt sich Prahlerei rasch. Zwar konnten die Allacher Burschen am Dienstag noch erfolgreich mit der Schulleitung über die Rückgabebedingungen verhandeln. Doch am nächsten Morgen war das Corpus Delicti schon aus ihrem Stadl im Münchner Westen verschwunden. Wie hieß es doch in ihrem eigenen Bekennerschreiben so treffend: „Beim nächsten Mal besser bewachen!!!“ Der Landjugend kam die Sorglosigkeit der Stadtbuben gerade recht: Zum „Saisonstart unserer Maibaumdiebe“ bedankten sie sich auf Instagram ironisch „für den gut bewachten Maibaum.“
Dass sie den ersten Coup heuer schon vor dem kalendarischen Frühjahrsbeginn landen konnten, „nimmt den ganzen Druck weg“, meint der Sprecher der Maibaumdiebe Inning (MDI) dankbar: Umso unbeschwerter könne man nun in den nächsten Wochen zu den nächtlichen Erkundungen aufbrechen. Der Nymphenburger Maibaum ist inzwischen wieder an die Erstentwender zurückgeliefert worden. Mit den Kollegen sei man rasch handelseinig geworden: Am 26. April werden sie die 35 Mann der MDI mit Bier und Speisen empfangen. Vorab mussten sie freilich auch „bar“ mit Naturalien Lehrgeld zahlen: Bei den Auslöseverhandlungen wechselten eine Dose Kaviar und eine Flasche Schampus die Besitzer.



Die Diebe vom Ammersee haben erst im vergangenen Herbst bundesweiten Ruhm erlangt. Kurz vor Beginn des Oktoberfestes entführten sie den 22 Meter langen Maibaum, der auf der Holzterrasse vor einem Festzelt auf Böcken lagerte. Fünf Tische im Hofbräu-Zelt, je vier Maß und ein Hendl waren der Mühe Lohn - auch wenn Wirt und Wiesn-Geschäftsführer über die nächtliche Aktion wenig amüsiert waren, weil es ihre Sicherheitsvorkehrungen nicht gerade im günstigsten Licht erscheinen ließ. Die Staatsanwaltschaft ermittelte zwischenzeitlich sogar gegen die MBI wegen besonders schwerem Diebstahl, Ende Oktober wurde das Verfahren dann doch eingestellt.
Im Jahr zuvor langten sie im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck zu und schleppten dort aus einer Halle den drei Tonnen schweren Stamm fürs Brucker Volksfest davon. Der MDI brachte das zwei Hektoliter Bier sowie Speis und Trank bei einem Brucker Maifest ein. 2023 stellte die Landjugend auch zum zehnjährigen Jubiläum einen eigenen Baum auf. Statt mit Zunftzeichen war er mit Tafeln geschmückt, die auf ihre bis dato 14 geglückten Beutezüge hinwiesen.

Das Husarenstück, in einem beinahe bombensicheren Bundeswehrstandort zuzugreifen, hatten vor ihnen nur die Unterbrunner Burschen vollbracht. Die genießen nicht nur unter Maibaumdieben Kultstatus: Seit der Gründung 1949 haben die versierten Langfinger aus dem Gautinger Ortsteil 69 Trophäen errungen und wieder abgegeben. Im Vorjahr gingen sie freilich leer aus, „was schon einmal vorkommen kann“, wie auch der MDI-Sprecher verständnisvoll anmerkt. Ohne Umschweife räumt er ein, die Unterbrunner seien von Beginn an Inspiration und Vorbild für die eigenen Aktivitäten gewesen.
Mittlerweile verbinde die beiden „Räuberbanden“ eine innige Freundschaft - spätestens seit man 2018 nacheinander den gleichen Baum gestohlen hat. Der sollte die Feier zum vollendeten Tunnelbau am Luise-Kiesselbach-Platz zieren und wurde anschließend sogar noch ein drittes Mal von Schaustellern entführt. Auch damals gab es Freibier und Wiesntische für die Beteiligten, die so ausgiebig Gelegenheit zum Fachsimpeln hatten. 2022 kamen die Unterbrunner den Inningern nur kurz zuvor: Beide hatten es auf den Planegger Maibaum abgesehen, der den Unterbrunner schon zum vierten Mal seit 1949 in die Hände fiel. Deren 69. und bislang letzter Coup galt 2023 übrigens wieder einem Baum, der für den Kiesselbach-Platz vorgesehen war.
Obwohl sich im Gegensatz zu ihnen die Inninger im Vereinsnamen nicht auf ein Geschlecht festlegen, dürfen auch bei den MDI-Beutezügen eigentlich keine Madln mitwirken. Derlei Anfragen habe es schon viele gegeben, aber das Maibaumschleppen bleibe reine Männersache, sagt der Inninger Sprecher. Eine einzige Fast-Ausnahme habe es bis jetzt gegeben: Im September saß eine Frau am Steuer eines der Anreise-Autos zur Theresienwiese. Sie musste dann aber im Wagen warten, bis der Wiesn-Coup erledigt war. Beim Auslösen und Feiern aber seien die Damen der rund 180 Köpfe umfassenden Landjugend „selbstverständlich hochwillkommen“.