Machtlfing:Wells und die Wawuschels

Die Geschwister Well im alten Schulhaus

Von der "Wuiden Polka" bis zu Glières Romantik: Maria und Matthias Well in Machtlfing.

(Foto: Franz Xaver Fuchs)

Das kleine Festival "Juni-Spiele" startet mit einer Mischung aus Lesung und Konzert, die Klassiker der Kinderliteratur, E-Musik und volkstümliche Klänge unter einen Hut bringt

Von Reinhard Palmer, Machtlfing

Wer nach Machtlfing kommt, dem fällt dieses vergleichsweise stattliche Bauwerk mit der Aufschrift Volksschule bestimmt auf. 1877/78 sei das Gebäude mit Lehrerwohnung, zwei Klassenzimmern und einem landwirtschaftlichen Bauteil errichtet worden, berichtete Norbert Sonntheim, Vorsitzender des dort nun beheimateten Theatervereins. Und da es bei Veranstaltungen von "Kunsträume am See" immer auch um den lokalen Bezug im Gesamtkontext geht, präsentierte Veranstalterin Elisabeth Carr in "Oh Well!" auch Carina, Luisa und Juli aus der Kinderabteilung des Theatervereins als Leserinnen. Schließlich war es der Auftakt ihrer "Juni-Spiele schön jung", die sich an das jüngere Publikum richten, wenn sie auch unter den Älteren viele Anhänger finden.

Das Thema der interdisziplinären Veranstaltung lieferte die aktuelle Ausgabe der Kulturzeitschrift "Literatur in Bayern", die sich unter anderem der Kinderliteratur in Wort und Illustration widmet - und bei der Gelegenheit unter Mitgestaltung ihres Herausgebers Gerd Holzheimer vorgestellt wurde. Weil an dem Nachmittag an anspruchsvolle und unterschiedliche Geschichten erinnert werden sollte, fiel die musikalische Wahl auf die Geschwister Maria (Violoncello) und Matthias (Violine) Well, die der familiären Tradition folgen und es verstehen, ernste, Unterhaltungs- und Volksmusik unter einen Hut zu bringen. Mit der Passacaglia von Johan Halvorsen über ein Thema von Händel gleich zu Beginn lieferte das Duo eine Steilvorlage in Sachen Lust auf Sinnen- und Spielfreudiges als pompösen Tusch fürs bewusst bayerisch gehaltene Grußwort der Kulturreferentin des Landkreises, Barbara Beck.

Mit ausdrucksstarker Vortragskunst begannen Corina, Luisa und Juli die Lesung mit dem so humorvollen wie klugen Buch "Die Wawuschels", das Irina Korschunow 1967 in ihrem unverwechselbar klaren, sehr präzisen Stil ersann. Die von ihr zum Leben erweckten Fabelwesen mit den grün leuchtenden Haaren wurden in diesem Fall eingerahmt von wuchtiger Romantik: drei von den "Huit morceaux" op. 39 des Komponisten Reinhold Glière. Als lyrisch-poetische Antwort auf die "Wawuschels" erwies sich die Geschichte vom "Lupinchen" von 1969, die stilistisch im Grunde das eigene sprachliche Pendant zur Bildergeschichte der Illustratorin Binette Schroeder ist, dadurch etwas Ätherisches an sich hat und von Carr entsprechend poetisch vermittelt wurde.

Die fast schon philosophische, jedenfalls sprachlich raffinierte Geschichte "Einer" von Christine Nöstlinger aus dem Jahr 1980 überließ Carr den Abiturienten Alina Abgarian und Cedric Carr, die sichtlich Spaß daran hatten, die Sprachspiele um den Einen und seine Liebe zur kugelrunden Frau zu zelebrieren. Erstaunlich dabei, wie die Autorin jugendfreie Erotik der Tabuisierung entgegenhielt und daraus einen besonderen, intimen Zauber gewann.

Wenn es um Klassiker geht, dürfen drei Bücher nicht fehlen, die in Machtlfing Holzheimer und Carr vorbehalten blieben. Während Holzheimer die Entstehung von Kästners "Das fliegende Klassenzimmer" und die Rolle von Eduard, dem Kalb mit der Kuhglocke, erhellte sowie mit Janoschs "Wie schön ist Panama" auf das Motiv des "Du kannst nicht ankommen, wenn Du nicht weggegangen bist" verwies, nahm sich Carr Biene Majas Begegnung mit dem Tausendfüßler Hieronymus und das Kidnapping durch die Hornissen vor.

Die Well-Geschwister fanden viele Anknüpfungspunkte und konnten bei der musikalischen Wahl aus dem Vollen schöpfen. So kam die "Wuide Polka" zu ihren Ehren, auch "Monte Carlo" von dem Gitarristen Philippe Loli, das wohlige Duett "Dort oben" und schließlich die temperamentvoll groovende "Zingaresca" aus dem Duo von Erwin Schulhoff in verhaltener Modernität. Alles in saftiger Substanz und mit viel Lust musiziert. Ein abwechslungs- und lehrreicher Start der Juni-Spiele, der das Publikum fesselte.

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