Lyrik-Stier:Heimatdichter und ihre Richter

Der 61-jährige Feldafinger Nikolaus Högel gewinnt mit bayerischen Volksfestbetrachtungen den Publikumspreis. Die Wahl der Jury fällt auf Holger Küls.

Von Patrizia Steipe, Weßling

Wer selbst schon versucht hat Verse zu schmieden, weiß, wie schwierig das sein kann: Es holpert, läuft nicht rund, ist irgendwie zu gewöhnlich. Dabei gibt es nichts Einfacheres, als Lyrik zu verfassen - meint zumindest Anton G. Leitner. Der Verleger und Schriftsteller aus Weßling hatte zum 9. Mal zu seinem Literatenwettstreit "Lyrik-Stier" ins Gasthaus Schuster eingeladen. Im "poetischen Zentrum Hochstadts" verriet Leitner dem Publikum das Geheimnis erfolgreichen Schreibens. "Zuhören und zusammenschreiben - so einfach ist Dichten". Eine Kostprobe aus seinem Mundart-Gedichtband "Schnablgwax" belegte recht humorvoll seine These.

Im Mittelpunkt standen aber nicht die Profi-Poeten, die im Rahmenprogramm Texte vortragen durften, sondern die 25 Teilnehmer des Gedichte-Seminars, die aus ganz Deutschland, der Schweiz, Italien und Norwegen angereist waren. Den Feinschliff hatten die Teilnehmer ihren Gedichten gemeinsam mit den Mentoren verliehen, am Vortrag gearbeitet, geglättet, gekürzt und gewürzt. Dem Thema "Heimat" hatten sich die Poeten auf unterschiedlichste Weise genähert. "Vor zehn Jahren ist der Begriff Heimat verpönt gewesen", erklärte Norbert Göttler, Juror und Bezirksheimatpfleger von Oberbayern. Heute werde das Wort von Fremdenverkehrsmanagern und Rechtsradikalen emotional verwendet. Letzteren sollte die Begriffsdeutung der Wortes "Heimat" nicht überlassen werden, "die Künste sind Heimat für Menschen, die sonst keine haben".

Volles Haus beim Hochstadter Stier; Volles Haus beim Hochstadter Stier

Auf Tuchfühlung mit den Zuhörern: Beim "Lyrik-Stier" geht es eng zu, nächstes Jahr will Veranstalter Anton Leitner deshalb ins Bosco ausweichen.

(Foto: Franz X. Fuchs)

Beim Wettkampf um das beste Gedicht gab es Preise in verschiedenen Kategorien zu erringen. Der französische Bildhauer Marcel Mur hatte dafür zweidimensionale Stierköpfe aus Metall geschmiedet. Den Geschmack des Publikums traf Nikolaus Högel mit seinem mundartlichen Gedicht "Voixfest" am besten. Seine humorvollen Beobachtungen auf einem bayerischen Volksfest hatte der 61-jährige Feldafinger in Verse gefasst: "... A achtmassige Kejnarin schiabt durch d'Leit wia da Raddampfa durchn Ammasee, näbehornmassig pressts ihr 'Obacht' naus. A ganz a kloana Bua hod si in da Zuckawatt vafanga, jetzt pappt a am Tisch und blärrd noch da Mamma. Deandl drahn wia Derwisch umman Burschn rum, der si ins Nirwana plattlt. . ." Für Högel war der Auftritt eine Premiere. Seit einem Jahr widmet er sich neben dem Komponieren von Volksmusik intensiver dem Dichten. Ihm gefällt am Gedicht, dass es eine überschaubare Form hat. Das Feilen an den Phrasen und Worten mache ihm Spaß. Angesichts des Erfolgs überlegt er, in Zukunft regelmäßig aufzutreten. Damit würde der gelernte Konditor- und Metallbaumeister, der die unterschiedlichsten Berufe ausgeübt und an verschiedenen Orten im Landkreis gelebt hat, seinem unkonventionellen Lebenslauf eine weitere Facette hinzufügen. Auf den zweiten Platz wählte das Publikum das Poem "Weg" von Reinhard Giebelhausen (Weilheim). Auf Platz drei kam die Herrschingerin Leni Gwinner mit ihrem witzigen "Teichpumpenblues".

Die Jury, Melanie Arzenheimer - sie hatte 2009 den ersten Lyrik-Stier gewonnen - Erich Jooß und Norbert Göttler, die allesamt auch Münchner Turmschreiber sind, fanden Holger Küls' Gedicht "Praha" am Besten: "Die Brücke steht wie immer, fleckiger Sandstein, behütet von Heiligen. Kastanienhafter Blick, darüber das Blau fast blendend, die Stadt so nah. Auf der Bank ein fast vertrautes Paar. Sie seufzt, als sie mit geübten Griff ihr Haar auflöst, während die Moldau breit und lächelnd nordwärts fließt und sich der Tag nach hinten biegt". Das Thema sei "dicht, knapp und kompakt" umgesetzt worden, lobte die Jury. Mit ihren feinsinnigen "Second Hands" kam Nadeshda Müller aus Luzern auf den zweiten Platz. Platz drei ging an Renate Schön aus Augsburg. "Die Tabakdose" hieß ihr Gedicht. Die Teilnehmer selbst wählten "Muttersprache" von Regine Juhls aus Norwegen an die Spitze.

Den poetischen Wettstreit trübte eine Sache: der beengte Wirtsraum. "Wir hätten den Saal dreimal füllen können", so Leitner. Im nächsten Jahr wird der Wettstreit deswegen im Gautinger Bosco ausgetragen. Auch das Thema steht schon fest: "Religion". Und dann gab es noch eine Preisverleihung: Das Wirtsehepaar Christa Reithmeier und Norbert Harter wurde für das Literatenbuffet ausgezeichnet - denn auch dieses war ein Gedicht.

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