Lockdown für Kinos, Kabarett- und Konzertreihen:Der Vorhang zu und alle Fragen offen

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Die Kulturmacher im Landkreis reagieren mit Entsetzen, Kopfschütteln und auch mit Verständnis auf die neue Verordnung. Die Unsicherheit ist groß, ob und wie es weitergehen soll

Von Blanche Mamer

Ich bin fassungslos", sagt Matthias Helwig, Chef der Breitwand-Kinos im Landkreis, zum bundesweit beschlossenen einmonatigen "Wellenbrecher-Lockdown". "Was haben wir falsch gemacht? Wir haben ein Hygienekonzept, wir haben Abstandsregeln und Maskenpflicht bis zu den Kinositzen, wir haben alles eingehalten, was die Politik vorgegeben hat, doch das zählt nicht", sagt er. Dabei sei Kultur, und dazu gehöre ohne Frage das Kino, gerade in Krisenzeiten lebenswichtig. Es gebe bisher keine Information, dass sich jemand im Kino mit dem Covid-19-Virus infiziert habe. Die problematischen Ansteckungsorte seien doch woanders: bei der Arbeit, beim Einkaufen, in S- und U-Bahn, bei privaten Feiern.

Für Helwig ist klar, dass es Regeln geben muss, um die Pandemie einzudämmen, doch die jetzt vorgeschriebenen Maßnahmen hält er schlichtweg für falsch. Er ist überzeugt davon, dass die Schließung der Kinos und Theater zum gesellschaftlichen Problem werden könne. "Es ist kalt und regnet in Strömen, du kannst nicht nach draußen, doch du könntest ins Kino gehen und dir einen neuen Film anschauen. Und deine Alltagssorgen vergessen. Das geht jetzt nicht, und ich fürchte, dass sich der Druck verschärfen wird." Die Bundeskanzlerin habe in ihrer Ankündigung von "Unterhaltungsindustrie" gesprochen, sagt Helwig, das zeige, dass die Regierenden für Kultur nicht viel übrig hätten.

Kinos und Theater hätten sich nur langsam von der ersten Schließung erholt, die Unsicherheit sei groß, ob und wie es weitergehe. "Wir planen langfristig, auch die Filmverleiher haben eine lange Vorlaufzeit, Premieren wie die vom neuen Eberhofer-Krimi können nicht so einfach von November auf Dezember verschoben werden, zumal man ja nicht weiß, ob der Lockdown wirklich auf einen Monat begrenzt ist. Ich sehe die Maßnahme als Schlag gegen die ganze Branche", klagt Helwig, der durch sein Fünfseen-Filmfestival weit über die Grenzen der Region hinaus bekannt ist.

Auch Thomas HiIkert, Vorstand des Theaterforums und Betreiber des Bosco, ist nicht glücklich über das erneute Aus für Kabarett, Theater und Konzerte im Gautinger Kulturhaus. "Wie alle Veranstalter haben wir die Termine für das Herbst-Winter-Programm Monate vorher geplant. Es wird mühsam, im kommenden Jahr Ersatztermine für die abgesagten Veranstaltungen zu finden, im Einzelfall müssen wir einen Auftritt ganz streichen." Hilkert hat die jetzige Verordnung persönlich überrascht. "Wir haben mit Einschränkungen gerechnet, hatten aber gehofft, dass es nicht wieder zu einer Totalschließung kommen werde", sagt er, der sich gerade mit dem Vorstand und dem Bosco-Team berät. Die Stimmung sei nicht optimistisch, zumal man ja nicht wisse, ob im Dezember wirklich wieder geöffnet werden kann. "Von unseren Besuchern ist mir mehrfach signalisiert worden, wie glücklich man sei, dass es endlich wieder ein Kulturprogramm gebe. Doch Jammern hilft nichts. Wir waren uns einig, dass wir eine weitere Reduzierung der Zuschauerzahlen bei einer dunkelroten Ampel im Landkreis nicht durchgehalten hätten."

"Schlag gegen die ganze Branche": Matthias Helwig. (Foto: Nila Thiel)

Bernhard Sontheim, Bürgermeister und Vorstand der Feldafinger Reihe "Jazz am See ", findet es "schade, dass die Kultur auf Null gesetzt wurde". Für Ende November waren im Beccult in Pöcking zwei Konzerte geplant, die nun abgesagt wurden. "Wir werden den Musikern vorschlagen, die Auftritte um ein Jahr zu verschieben." Da sie aus Rotterdam stammen, "einem Hotspot in den Niederlanden, war ohnehin nicht sicher, ob sie hätten kommen können", sagt Sontheim. Der Kartenverkauf für heuer ist vorläufig gestoppt, denn es sei auch ungewiss, ob das für den 18. Dezember geplante Konzert der Schweizer Band Jütz über die Bühne gehen kann. "Wenn wir es wissen, werden wir eine Woche vorher mit dem Kartenverkauf beginnen", so Sontheim. Für den Verein sei die Absage kein Verlust. Denn es gelte: je weniger Konzerte, desto geringer das Defizit. Doch für Musiker und Publikum sei das ein herber Einschnitt. Dabei sei das Sicherheitskonzept im Beccult hervorragend, die Lüftung ganz neu, viermal in der Stunde werde die Luft ausgetauscht. Der Abstand zwischen den Plätzen betrage zwei Meter, und statt mit 300 Besuchern sei der Saal zuletzt mit maximal 100 besetzt worden. Doch das nütze jetzt alles nichts, er hoffe nun auf den Dezember, glaube aber nicht so ganz daran, sagt Sontheim.

Josef Hofmann, Vorsitzender des Seefelder Kulturvereins "Räsonanz", sagt es so: "Wir fahren auf Sicht. Ich bin nicht überrascht über das Verbot von kulturellen Veranstaltungen. Wer das Infektionsgeschehen der letzten Tage beobachtet hat, hat feststellen können, dass neue Einschränkungen kommen. Auf Kultur zu verzichten, um Schulen offen zu halten, ist für mich nachvollziehbar, auch wenn es hart ist." Nicht die Politiker seien der Feind, sondern das Virus. Aber natürlich sei es schade, wenn Auftritte von jungen Comedians, die sich ausprobieren wollen, wie der von Judith Seibert am 7. November ("Das Leben ist kein Wurstsalat!"), abgesagt werden müssten. Ob das Event mit Helmfried von Lüttichau am 11. Dezember stattfinde, hänge von weiteren Verlauf der Krise ab.

Auch in der Schlossberghalle in Starnberg gibt es in den kommenden Wochen nichts zu lachen. Wolfgang Ramadan, Veranstalter der Reihe "Brotzeit & Spiele", hat nicht nur den für den 26. November geplante Kabarettabend von Franziska Wanninger abgesagt, sondern sämtliche Veranstaltungen in all seinen Spielstätten in der Region für 2020 und teilweise 2021 gecancelt. Aber es gibt einen Hoffnungsschimmer: Ramadan überlegt, künftig mehr Open-Airs in Starnberg anzubieten.

© SZ vom 31.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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