Süddeutsche Zeitung

Starnberg:Kreistag lehnt Livestream ab

Debatten des Gremiums sollen nicht ins Internet übertragen werden.

Von Carolin Fries

Der Andechser Bürgermeister Georg Scheitz (CSU) "outete" sich im Kreistag, wie er es selbst nannte. "Ich kann mir das vorstellen, hier vor der Kamera zu sprechen und ins Internet übertragen zu werden", sagte er. Doch als Kreisrat wird Scheitz so schnell kein Internet-Star werden. Denn viele seiner Fraktionskollegen sind für Live-Übertragungen aus den Kreisgremien nicht zu haben, allen voran die Landtagsabgeordnete Ute Eiling-Hütig. Sobald eine Kamera im Raum sei, würde der Saal zur Bühne, berichtete sie von Fernseh- und Internetübertragungen aus dem Maximilianeum. "Ich möchte keine Show." Zudem könnten Wortbeiträge nachträglich aus dem Zusammenhang gerissen und in falschem Kontext verbreitet werden.

Kreisrat Peter Unger hatte mit Unterstützung seiner Grünen-Fraktion nach den Kommunalwahlen im Frühjahr den Antrag gestellt, die Sitzungen der Kreisgremien ins Internet zu übertragen, um politische Entscheidungen transparent zu machen und Menschen zu erreichen, die den Weg in die Sitzungssäle nicht schaffen oder aber wegen Corona lieber zu Hause bleiben. Im Juli hatte man sich darauf verständigt, zunächst anonymisiert abzufragen, wer überhaupt bereit wäre, dass die jeweiligen Beiträge in Wort und Bild ins Internet gestreamt zu werden. Datenschutzrechtlich ist eine Zustimmung notwendig.

Das Ergebnis der Umfrage nannte Unger "bedauerlich": 32 Kreisräte würden einer Übertragung in Wort und Bild zustimmen, drei lediglich einer Tonübertragung. 25 Kreistagsmitglieder lehnen eine Übertragung ab. Ähnlich ist das Verhältnis bei den Mitarbeitern des Landratsamtes, die regelmäßig Fachvorträge während der Sitzungen halten oder dem Gremium für Fragen zur Verfügung stehen. 31 Mitarbeiter wären bei einem Livestream dabei, 22 nicht. Landrat Stefan Frey (CSU) fasste das Ergebnis so zusammen: "Jeder zweite bis dritte Beitrag wäre für den Zuschauer nicht zu sehen oder zu hören." Stattdessen bliebe der Bildschirm schwarz "oder wir zeigen eine schöne Ansicht aus dem Landkreis". Er bezifferte zudem die Kosten. Eine Erstinstallation würde 12 000 Euro kosten, dazu kämen jährlich 11 000 Euro, wenn ausschließlich aus dem Kreistag gestreamt würde. Bei einer Übertragung auch aus den Ausschüssen kämen pro Jahr etwa 24 000 Euro zusammen. Frey schlug einen Probetrieb vor, für den man einmalig ein Unternehmen beauftragen könne. Hier lägen die Kosten bei etwa 2000 Euro.

Christian Winklmeier (SPD), der Livestreams aus politischen Gremien grundsätzlich ein "tolles Angebot" nannte, bezweifelte den Mehrwert einer Übertragung, wenn nur die Hälfte der Kreisräte dabei ist. "Da kann man nicht von Transparenz sprechen." Vielmehr würden die Debatten verzerrt. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kommentierte das Ergebnis der Umfrage mit den Worten: "Der Fortschritt ist eine Schnecke." Sie plädierte für einen Probebetrieb. Doch Erika Schalper (Grüne) sagte, das könne nur eine schlechte Sendung werden. "Und bei schlechten Sendungen schalten die Leute nicht mehr ein." Bedenken äußerten auch mehrere FW-Kreisräte. Bernhard Sontheim bekannte offen, dass er persönlich ein Problem mit Live-Übertragungen aus den Sitzungen habe.

"In dieser Aufspaltung" des Gremiums bezweifelte auch Landrat Frey den Nutzen eines Livestreams. Mit 32 zu 23 Stimmen lehnte der Kreistag schließlich Übertragungen ab.

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SZ vom 29.10.2020
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