Süddeutsche Zeitung

Gilching:Geisenbrunner Wirte helfen Erdbebenopfern

Geisenbrunner Wirte starten im Lockdown Sachspendenaktion für die von einer schweren Naturkatastrophe heimgesuchten Menschen in ihrer Heimat Kroatien.

Von Patrizia Steipe

Im Minutentakt halten Fahrzeuge an der Tonwerkstraße vor der Gaststätte Geisenbrunn beladen mit Spenden für die Opfer des Erdbebens in Kroatien. Vor dem Restaurant stapeln sich Kartons, Taschen und Tüten. Stjepan und Magdalena Madunic, die seit August 2019 die Gaststätte betreiben, hatten die Idee für die Privatinitiative.

Die beiden waren gerade mit ihren beiden kleinen Söhnen spazieren, als sie die Nachricht von dem schweren Erdbeben in ihrer Heimat Kroatien erhalten hatten. "Mein Gott, und das mitten in der Coronazeit", sei sein erster Gedanke gewesen, erinnert sich der Wirt. Bereits während des ersten Lockdowns im März habe es in Zagreb ein starkes Erdbeben gegeben. Jetzt bebte die Erde zirka 50 Kilometer südlicher nahe den Orten Sisak und Petrinja. Auf der Richterskala wurde eine Stärke von 5,2 und 6,2 angezeigt. Es gab Tote, Verletzte, Hunderte zum Teil historische Häuser sind unbewohnbar oder eingestürzt, und eine Vielzahl an Nachbeben machen den Menschen Angst.

Madunic hat Kontakt mit einem Priester von Petrinja aufgenommen. "Erst vor einigen Jahren habe in Kroatien Krieg geherrscht, aber das sei schlimmer", habe ihm der Geistliche erklärt. "Die Leute haben alles verloren und frieren. Keiner weiß, wie es weitergehen soll", erzählt Madunic sichtlich bewegt. Spontan entstand die Idee zu helfen. Die Gaststätte befindet sich im kompletten Lockdown und steht deswegen leer. "Ich habe hier genug Platz, um die Hilfsgüter zu sammeln und zu lagern", erklärt der Wirt. Da das übliche Weihnachts- und Silvestergeschäft in diesem Jahr ausgefallen ist, hat er auch genug Zeit, um das Ganze zu organisieren. Bevor die Hilfsgüter verladen werden, werden sie in Umzugskartons verpackt und sortiert. "Das können die Helfer vor Ort nicht leisten", erklärt Madunic.

Über die Whatsapp-Gruppe des Geisenbrunner Stopselvereins, der sich regelmäßig in der Gaststätte traf, wurde ein erster Aufruf verbreitet. Die Stopsler, aber auch die Mitglieder der anderen Geisenbrunner Vereine haben den Aufruf in den sozialen Medien verbreitet. In Windeseile hat sich die Hilfsaktion herumgesprochen. Immer wieder klingelt seither beim jungen Wirt das Telefon, Leute bieten ihre Hilfe an und fahren mit ihren Spenden vor. Zum Beispiel Armin Reynartz. Der Geisenbrunner ist mit seiner Tochter gekommen und packt Kleidersäcke mit warmer Winterkleidung und einer Decke aus. "Ich kenne viele Kroaten und bin schon oft im Land gewesen", erklärt er. "Selbstverständlich" sei es zu helfen, stimmte eine Frau zu. Ein anderer Mann kommt mit einem Geldkuvert. Für die Soforthilfe werden unverderbliche Nahrung, Hygieneartikel, Windeln, warme Kleidung, Schuhe und Decken benötigt, aber auch Corona-Masken, Desinfektionsmittel und Umzugskartons. "Die Leute mussten sich innerhalb von Sekunden auf die Straße retten. Die haben nichts mitnehmen können", erklärt Madunic.

Dann ruft jemand aus Buchloe an, der dort einen Transporter voller Hilfsgüter gefüllt hat und sich dem Hilfskonvoi anschließen möchte. "Wir haben genügend Fahrzeuge, Fahrer und auch Hilfsgüter", freut sich Madunic. Doch die Pandemie macht das Ganze kompliziert. "Ich stehe im Kontakt mit der Grenzpolizei", berichtet Madunic. Er hofft, dass es unbürokratische Möglichkeiten gibt, dass er die Grenzen ungehindert passieren darf. Neben den Beschränkungen an den Grenzen herrscht seit dem 23. Dezember außerdem in Kroatien ein Reiseverbot zwischen den Regionen des Landes. Es werden noch etliche Telefonate nötig sein, befürchtet Madunic. Er hofft, dass der erste Transport schnell abgewickelt werden kann, damit gleich der nächste starten kann. "Ich fahre so oft es nötig ist."

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SZ vom 31.12.2020
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