Das zweite Fünfseen-Festival in Corona-Zeiten: Für Premieren und Welturaufführungen sorgen Anne und Alex Eichberger, Rainer Bartesch, Susanne Petz und ihr Co-Produzent Ralph Gladitz (von li. mit Festivalchef Matthias Helwig).
(Foto: Nila Thiel)Die Welt ist angeblich nicht genug, aber zuweilen tut's auch Mitteleuropa vollkommen. In einer Woche beginnt das 15. Fünfseen-Filmfestival, das den Fokus auf Dramen, Komödien und Dokus aus Österreich, der Schweiz, Deutschland und Südtirol legt und sich weder mit Hybrid-Lösungen noch mit Reduzierungen aufhält, sondern schlicht live und im vollen Format daherkommt. Etwa 100 Spiel- und 50 Kurzfilme stehen auf dem Programm, deutlich mehr als auf dem Münchner Filmfest, darunter acht Welt- und 21 Deutschlandpremieren. An die 100 Regisseure, Schauspieler und Produzenten kommen zur Vorstellung ihrer Arbeit nach Starnberg, Gauting, Seefeld und Weßling. Und: Die Filmverleiher haben das Kinofest entdeckt, wie Festivalchef Matthias Helwig am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Starnberg sagte. Sie präsentierten ihre Produktionen nun in der Kategorie "Best of Festivals".
Der Blick geht diesmal allerdings weiter als in den Vorjahren und richtet sich nicht nur auf Taiwan und die Ukraine, sondern auch auf den Mittleren Osten. Die neue, von dem Ehepaar Anne und Alex Eichberger initiierte Reihe "Kino & Klima" samt Aktionstag und Vorträgen, elf Filmen, eigenem Award und einer Debatte mit den Bundestagskandidaten des Wahlkreises Starnberg gilt sogar einem Thema, das die ganze Welt angeht: den verheerenden Katastrophen, die der Klimawandel nach sich zieht. Und was die Filmauswahl betrifft, gibt es bei der Jubiläumsausgabe noch eine klitzekleine Sensation: Festivalleiter Matthias Helwig, wie fast alle Cineasten kein Freund von Netflix oder Amazon Prime, hat sich dazu entschlossen, das für Streamingdienste produzierte georgisch-französische Drama "Beginning" auf die große Leinwand zu bringen. Er wollte die besten Filme zeigen, sagte Helwig, und "Beginning" gehöre nun mal dazu.
Der Filmmarathon von 18. bis 31. August ist der zweite unter Corona-Konditionen. "Wir haben einen Anspruch", so Helwig, und den wollten er und sein Team auch "in schwierigen Zeiten" nicht hintanstellen. Er hoffe, dass die Inzidenz-Werte im Landkreis Starnberg bis Ende des Monats niedrig bleiben. Selbstverständlich seien auf dem Festival die üblichen Abstandsregeln und die Maskenpflicht zu beachten, in den Lichtspielhäusern würden nur 30 bis 40 Prozent der Sitzplätze besetzt. "Kein Festivalleiter will, dass sich jemand infiziert", so Helwig. Die Wetterprognosen für die nächsten Wochen sind angeblich gut, was wichtig ist wegen der vielen Open-Airs, allerdings waren sie das auch 2020, als am Tag der Eröffnung ein Sturm übers Fünfseenland fegte, sich abends aber glücklicherweise legte. Für den Fall der Fälle, wenn also zum Beispiel die Freiluft-Vorstellung der Komödie "Willkommen bei den Hartmanns" mit Ehrengast Senta Berger im Regen versinken sollte, sind als Ausweichort die beiden großen Säle des Starnberger Kinos reserviert.
Senta Berger ist Ehrengast des 15. Fünfseen-Filmfestivals.
(Foto: dpa)Was die verschiedenen Abteilungen des zweiwöchigen Fests betrifft, so widmet sich "Perspektivwechsel" einem virulenten gesellschaftlichen Phänomen: dem Umstand, dass "jeder meint, er hätte die Wahrheit", wie es Helwig formulierte. In der Reihe mit Klassikern wie "Die 12 Geschworenen" und "Rashomon" geht es deshalb darum, wie schwierig es oft ist, die Wirklichkeit zu ergründen. Dem vormaligen Gastland Ukraine ist ein Kino-Tag gewidmet, aus Taiwan kommen laut Helwig ein paar entdeckenswerte Filme, die Kategorie Odeon, das Kunstkino also, bringt wieder Jazz, Lyrik und außerdem eine Welturaufführung zur "Symphonie of Noise": das Videos zum Oratorium "Our World is on Fire", das sich ebenfalls um den Klimawandel dreht. Der in Pöcking lebende Komponist Rainer Bartesch hat das Werk geschrieben, aus Einspielungen von Sängern und Instrumentalisten aus aller Welt zusammengepuzzelt und mit den beiden Filmemachern Alexander Kleinrensing und Vincent Wild umgesetzt. Die Besonderheit: Das Video orientiere sich an Struktur, Rhythmus und Dichte der Musik, die Bilder drängten sich also nicht in den Vordergrund, wie Bartesch sagte.
Unter "Best of Festival" schließlich laufen "Monte Vérita - Der Rausch der Freiheit", "Rotzbub", "Gracious Night" oder auch die österreichische Tragikomödie "Risiken und Nebenwirkungen", mit der das Kinofest am 18. August im Seebad Starnberg startet. Schauspieler Joel Basmann und die Regisseure Marcus Rosenmüller und Mika Kaurismäki werden zu den Vorführungen erwartet. Und den Hannelore-Elsner-Preis, der an Birgit Minichmayr geht, stiftet heuer der Sohn der 2019 gestorbenen Schauspielerin, Dominik Elsner. Er habe auch die Trophäe, die es zur Auszeichnung gibt, neu gestaltet, sagte Helwig.
Beim ersten Festival im Jahr 2008 hatte es nur einen Ehrengast gegeben, Michael Ballhaus, der damals souverän über seine Spezialität sprach, die 360-Grad-Kamerafahrt. Nun schließe sich der Kreis, sagte Helwig. Denn zusammen mit Senta Berger und Michael Bully Herbig gehört Kameramann Benedict Neuenfels zu den Stars des Kinosommers.