Süddeutsche Zeitung

Fünfseen-Filmfestival:Birgit Minichmayr erhält Hannelore-Elsner-Preis

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Die Schauspielerin wird beim Fünfseen-Filmfestival in Starnberg geehrt. Für Laudatorin Bibiana Beglau ist sie ein Multitalent und ein "feiner Mensch".

Von Gerhard Summer, Starnberg

Sie war schwimmen im See, zur abendlichen Feier kommt sie in einer hölzernen Motoryacht an, nachts muss sie wieder zurück nach Salzburg. Ein sportliches Programm. Aber, sagt eine Mitarbeiterin des Filmfestivals: Birgit Minichmayr sei bester Dinge, und es seien jetzt auch Fotos vor dem Boot erlaubt, und nicht nur von der eigentlichen Preisverleihung. Puh, klingt fast so, als hätte Starnberg noch mal ein Riesenglück gehabt. Kann es sein, dass die Minichmayr, Spezialistin für exaltierte Rollen, eine Diva ist?

Papperlapapp. Bei der Preisverleihung im Strandbad Starnberg ist davon rein gar nichts zu merken. Minichmayr gibt sich natürlich und heiter, einmal lacht sie ein sehr dreckiges Lachen, die Frau mit der rauen Stimme hat gar nichts Kapriziöses an sich. Als die per Video eingespielte Laudatio ihrer Kollegin Bibiana Beglau zu Ende ist, meint sie: "Ich muss Bibiana gleich anrufen." So was würde eine Schauspielerin, die gnadenlos von sich überzeugt ist, kaum sagen. Und auf Fragen hat sie nie schnelle oder vorgestanzte Repliken parat, sondern überlegt oft lange wie jemand, der nicht auftrumpfen möchte, sondern einfach eine überzeugende Antwort geben will. Wie sie übrigens die neue goldglänzende Trophäe findet, die tatsächlich mit Blattgold belegt ist, drei Kilo auf die Waage bringt und ein wenig aussieht wie ein auf dem Kopf stehender, halb offener Kegel? "Die ist aber schwer", sagt Minichmayr, dreht die Skulptur hin und her und zeigt beide Seiten: hier ein Frauenprofil, dort "eine Theatermaske", wie Minichmayr findet. Eine ovale Öffnung jedenfalls, die gut zu ihrem markanten Kirschmund passt.

Fünfseen-Filmfest, der vierte Tag. Festivalchef Matthias Helwig und BR-Moderatorin Jutta Prediger vergeben den Hannelore-Elsner-Preis, und wie in den Vorjahren nimmt das Gedenken an die "unvergessene und unvergessliche" Schauspielerin bemerkenswert viel Raum ein. Prediger spricht darüber, wie Elsner sie "durch das ganze Leben begleitet" habe. Helwig erzählt, wie er die "faszinierende" Frau 2011 als Ehrengast seines Kinofests kennengelernt habe. Wie nervös sei gewesen sei, kurz bevor sie beide auf die Bühne der Schlossberghalle traten. Wie er ihre Hände genommen habe. Wie er mit ihr später durch den Landkreis gekurvt sei, um ihr die Gegend zu zeigen. Und wie grauenhaft der Moment gewesen sei, als er im Italienurlaub im April 2019 die Todesnachricht erfuhr. Er habe genau so reagiert, wie es Prediger vorher beschrieben habe, sagt Helwig: "Das kann doch gar nicht wahr sein."

Auch Dominik Elstner legt offensichtlich großen Wert drauf, die Erinnerung an seine Mutter wach zu halten. Er hat den mit 5000 Euro dotierten Preis gestiftet und die 48 Zentimeter hohe Gold-Trophäe finanziert. Minichmayr bekommt ein Unikat, es stammt von Elstners Freund Ruben Zickmann, einem Hamburger Bildhauer und Maler. Nächstes Jahr soll das Stück in Serie gehen und auch leichter werden, es ersetzt das bisher vergebene Miniaturboot mit Acryglassegel.

Bei all dem Andenken an Hannelore Elsner ist es aber nicht so, dass Birgit Minichmayr vergessen würde. Prediger führt ein langes Interview mit ihr, die Schauspielerin spricht dabei auch über ihre Abneigung gegen Sexszenen ("dann is' man nackt, ich weiß nicht"). Die vielleicht schönste Idee des Abends: die Würdigung von Bibiana Beglau. "Ich sollte die Laudatio halten", sagt die 50-Jährige, "mach' ich aber nicht". Stattdessen tritt sie zum Lobgesang auf ein Multitalent an. Ob als Komödiantin in "Die Goldfische" zusammen mit der Tutzinger Luisa Wöllisch, als bewundernswerte Theaterschauspielerin in "Iwanow" oder als Sängerin von Shakespeare-Sonetten: Minichmayr sei eine wahre Künstlerin mit umfassendem Talent und ein "feiner Mensch", sagt Beglau. Und: Der 44-Jährigen komme es auf Gerechtigkeit an, nicht auf den eigenen Vorteil, sie sei auch ein "Ensemble-Mensch".

Die gebürtige Linzerin, die den gewichtigen Preis als dritte Schauspielerin nach Barbara Auer und Nina Hoss bekommt, ist anschließend in dem mitunter langatmigen, dafür aber wunderbar subversiven Schweizer Familien-Inferno "Wanda, mein Wunder" zu sehen. Das ist also die Minichmayr, wenn sie schlechte Laune hat: eine fiese, hässlich geschminkte Hexe, die durchs Drama stelzt und stampft, breitbeinig wie ein Brauereipferd tanzt, ganz tough tut und noch lebensunfähiger ist als Sohn Gregi, der Vogelmensch. Obwohl auch Agnieszka Grochowska (Wanda) und die wunderbare Marthe Keller (Ehefrau Elsa) grandios spielen - das hat Klasse.

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SZ vom 23.08.2021
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