Süddeutsche Zeitung

Lichtverschmutzung am Starnberger See:Wie die Festbeleuchtung den Insekten schadet

Naturschützer kritisieren nächtliche Flutlichter in den Gärten vieler Immobilienbesitzer - bisher vergeblich.

Von Sabine Bader

Flutlicht, Strahler, Gartenlaternen: Manch Privatgrundstück im Fünfseenland ist nachts so hell erleuchtet, als würden die Eigentümer zur sommerlichen Party laden: Bäume sind angestrahlt, Scheinwerfer zeichnen helle Kegel aufs Mauerwerk, entlang des Gartenwegs prangen Lichtkugeln. Dabei erwarten die Eigentümer gar keine Gäste. Es ist die ganz alltägliche Festbeleuchtung von Grundstücksbesitzern am Starnberger See. Für Insekten, Eichhörnchen und Vögel ist das fatal.

Die Ortsgruppe des Bunds Naturschutz (BN) in Feldafing will das Thema Lichtverschmutzung jetzt mehr ins Bewusstsein der Bürger rücken. "Gerade in großen Privatgärten fällt mir das immer wieder auf", erzählt die stellvertretende Ortschefin Jasmin Promberger. Tags stylten Mähroboter den Rasen, nachts erhellten Strahler Garten und Bäume. "Nachtaktive Tiere, zu denen die Mehrzahl der Insekten gehören, orientieren sich normalerweise an den Sternen und am Mond", sagt Promberger. Das sei den Insekten wegen anderer Lichtquellen oft nicht mehr möglich. "Diese irritieren die Tiere so sehr, dass sie ihren normalen Aktivitäten wie Nahrungssuche und Bestäubung nicht mehr nachgehen."

Sind die gleißend hellen Flutlichter direkt am See montiert und strahlen über das Wasser, wie etwa am Gasthaus "Midgardhaus" in Tutzing, werden die Insekten vom hellen Licht nicht nur magisch angezogen und geblendet, sie verlieren jede Orientierung, berühren die Wasseroberfläche und kommen wegen ihres leichten Gewichts nicht mehr hoch, beschreibt Lothar Hübner vom Bund Naturschutz in Tutzing die Situation. Er kritisiert die Flutlichter am Midgardhaus seit vielen Jahren und fordert, die Anlage "ganz außer Betrieb zu setzen".

Aber auch tagaktive Tiere sind betroffen: Denn ein nachts ausgeleuchteter Baum bietet ihnen keinen Rückzugsort mehr. "Werden Bäume nachts angestrahlt, kommen Eichhörnchen und Vögel in ihren Nestern nicht zur Ruhe", sagt Promberger. Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass Menschen durch Licht in ihren Ruhephasen gestört würden, was unter anderem zu Depressionen führen könne.

Promberger plädiert darum dafür, das Licht wenigstens so schwach wie möglich auszulegen - so, dass es gerade noch seinen Zweck erfülle. Es sollte nach ihrem Dafürhalten im warmen Gelbbereich liegen, damit es Insekten nicht so sehr anlockt. Die Gemeinde Feldafing habe ihre Straßenbeleuchtung bereits auf das verträglicher Gelblicht umgestellt. Sie rät auch dazu, die Strahler nach unten auszurichten und möglichst niedrig zu montieren, um Streuverluste zu vermeiden. Wer auf den Einsatz von Beleuchtung nicht verzichten kann, der sollte den Zeitraum so wählen, dass er zweckmäßig ist. Promberger hält übrigens Bewegungsmelder oder Zeitschaltuhren für eine gute Option, wenn es um den Schutz vor Einbrechern im privaten Bereich geht. Dauerlicht sollte "um 22 Uhr in jedem Fall abgeschaltet werden."

Laut Gesetz zur Lichtverschmutzung in Bayern vom August 2019 ist es von 23 Uhr an und bis zur Morgendämmerung ohnehin verboten, Gebäude der öffentlichen Hand wie Kirchen, Rathäuser, Ämter und Schlösser zu beleuchten - außer wenn dies für die Sicherheit notwendig ist. "Die paar Leute, die danach noch unterwegs sind, müssen die Denkmäler auch nicht mehr angeleuchtet sehen", findet Promberger.

Wer früher mit seinem Auto von der Autobahn kommend nach Starnberg unterwegs war, dem war es auch mitten in der Nacht ein vertrautes Bild, das hell erleuchtete Starnberger Schloss und die Kirche Sankt Josef auf dem Schlossberg zu sehen. Die ganze Nacht über strahlten die beiden Denkmäler in der Dunkelheit. Seit 2019 ist damit nun Schluss: Um 23 Uhr wird vorschriftsgemäß abgedreht, heißt es von Seiten des Starnberger Rathauses. In Gang gesetzt wird die Beleuchtung der beiden Gebäude laut Marie Babst von der Stadtverwaltung übrigens über einen Dämmerungsschalter. "Das Licht brennt somit nicht unnötig früh."

Das passt gut zu Jasmin Prombergers Leitspruch: "Weniger ist mehr! Einfach weniger eingreifen und mehr beobachten."

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Quelle:
SZ vom 26.04.2021
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