Literatur:Zocken, checken, Geld verdienen

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Faible für komplexe Spiele: Undine-Autor Simon Weinhart aus Starnberg. (Foto: privat)

Simon Weinhart hat mit seiner Nintendo-Geschichte "Mario und Luigi" 2016 den Jugendpreis des Literaturwettbewerbs Undine gewonnen - inzwischen ist er Werkstudent in einem Spieleverlag.

Die SZ stellt Autorinnen und Autoren vor, die den Undine-Literaturpreis gewonnen haben oder mit ihren Texten in dem Sammelband "Das Beste aus Starnberger Federn" vertreten sind. Der Herausgeber der "Starnberger Hefte", der frühere Deutschlehrer Ernst Quester, und der Geschäftsführer der Starnberger "Bücherjolle", Wolfgang Bartelmann, haben den Wettbewerb 2014 begründet. Inzwischen läuft die vierte Ausschreibung. Einsendeschluss ist der 30. September 2022. Weitere Infos unter https://buecherjolle-shop.buchkatalog.de/Veranstaltungen .

Für ihn ist das ein Traumjob: Seit Mai dieses Jahres arbeitet der Starnberger Simon Weinhart als Werkstudent bei einem Münchner Spieleverlag. Er ist dafür zuständig, Regeln für Brett- und Kartenspiele zu checken, Spiele zu testen oder Prototypen zu basteln. Er schneidet etwa neue Felder aus übrig gebliebener Pappe oder pinnt ausgedruckte Aufkleber auf altgediente Karten. Dass er bei "Hans im Glück" gelandet ist, trifft sich besonders gut, "meine Lieblingsspiele kommen von denen", sagt der 19-Jährige. Weinhart schätzt zum Beispiel "Dominion", "Carcassonne" oder auch "Paleo", ein Steinzeitspiel, "wo man mit anderen zusammenarbeiten muss, um zu überleben". Es gehe mithin um Fragen wie: "Helf' ich eher, ein Wildschwein zu töten, oder geh' ich Beeren pflücken." Am Computer zockt er schon mal "League of Legends". Hauptsache, die Abläufe sind komplex und er kann sich die Zeit zusammen mit Freunden vertreiben.

Wahrscheinlich ist schon deshalb klar, welches Thema Simon Weinhart für seinen Beitrag zum Undine-Literaturwettbewerb 2016 gewählt hatte: Das Motto hieß "Himmel und Hölle", und seine Story dreht sich um einen Jungen, der nur noch in der Nintendo-Welt von "Super Mario" lebt, und seine Mutter, die für "Ärzte ohne Grenzen" in Brasilien war und bei ihrer Rückkehr verzweifelt. Für "Mario und Luigi", so der Titel der Kurzgeschichte, gab es den Jugendautorenpreis. Und erstaunlich an dem Text ist allein schon, wie witzig und gerade heraus der damals erst 13 Jahre alte Autor schrieb und wie souverän er die Dialoge hinlegte.

"Mario und Luigi" handle vom "Interaktionsproblem zweier Generationen", sagt Weinhart. Denn in der Regel fehle auf beiden Seiten der Wille, aufeinander einzugehen. Viele Eltern zeigten sehr wenig Interesse an dem, was ihre Kinder nächtens am PC oder der Spielekonsole so treiben. Oft schauten sie gar nicht mit in den Computer rein. Sie würden sich damit "selbst ausschließen - und zugleich ausgeschlossen fühlen". Er komme zwar aus einer Brettspielfamilie, wenn man das so nennen kann, mit Faible für "Paleo" oder "Die Siedler von Catan". Aber trotzdem sei das Zocken auch bei ihm daheim immer ein "heikles Thema" gewesen. Inzwischen seien seine Eltern wieder beruhigt. Sie hätten bemerkt, wie sehr er in der Arbeit für "Hans im Glück" aufgehe, und das freue sie um so mehr, als es in der Pandemie eine Zeit gegeben habe, "wo ich nicht wusste, was ich mit mir anfangen soll". Derzeit studiert Weinhart noch Geschichte, aber mehr aus purem Interesse.

Schon in der Schulzeit hatte er sich auf Lyrik konzentriert. Die Notizzettel mit Gedichtzeilen stapelten sich bei ihm, doch für größere Projekte habe ihm der Atem gefehlt. Ähnlich sei es ihm mit selbst erfundenen oder weiter gedachten Spielen ergangen, die er als Kind ersonnen hatte. Bei ihm zuhause lägen noch Prototypen herum, sagt er, womöglich werde er sie mal in der Saure-Gurken-Zeit zwischen den großen Spielemesse in Nürnberg und Essen mit in die Arbeit bringen. Mal schauen, vielleicht komme er dann gemeinsam mit seinen Kollegen weiter. An einem Brettspiel samt Neuauflagen und Erweiterungen könne man nämlich schon "ordentlich verdienen".

"Mario und Luigi" - ein Textauszug aus Simon Weinharts Kurzgeschichte

In einer langen Diskussion zwischen uns dreien erfuhr sie, dass erstens Tante Dora nicht wirklich auf mich aufgepasst hatte; zweitens ich nur zweimal etwas mit Freunden unternommen hatte (auf deren Geburtstagsfeiern); drittens ich manchmal auch die Nacht durchgezockt hatte und viertens ich mir noch eine Wii vom Taschengeld gekauft hatte, sowie einige Spiele für den Nintendo und fünftens ich jetzt blank war. Meine Mutter war außer sich vor Wut. Sie nahm meinen PC, klappte ihn zu und ging aus dem Zimmer. Ich war wütend und brüllte ihr nach: "Ich muss doch die Welt noch speichern, außerdem ist das mein Computer, lass ihn gefälligst in Ruhe!"

Sie sah mich an mit einem tieftraurigen Blick. Die ersten Tränen sammelten sich in ihren Augen, dann drehte sie sich um und ging langsam weg: "Hör dir doch mal zu!", sagte sie, "du bist total süchtig!"

"Weißt du, ich habe mir immer drei Jungs gewünscht, drei wilde, verspielte Jungs. Und du warst genau so einer, bevor ich ging. Aber jetzt, so wie ich dich gestern erlebt habe, bist du ein Sesselpupser geworden, der nur vor irgendwelchen Maschinen hockt und spielt. Solche Leute find ich gruselig. Sie werden fett, unsportlich und spielen immer mehr und vergessen sogar das Schlafen." Sie drehte sich zu mir um. "Mach heute doch was mit Freunden."

"Ach ja", rief ich, "ich habe zwei neue Freunde gefunden."

"So? Davon hat mir Tante Dora gar nichts erzählt."

"Sie kennt sie auch noch nicht. Sie heißen Mario und Luigi, wie in den ganzen Super-Mario-Spielen."

"Mario und Luigi? Italiener also. Wo wohnen sie?"

"Ums Eck, die Straße runter."

"Aha. Wie sind sie so?"

"Och, ganz nett. Ich hab mit ihnen immer Fangen gespielt und so."

"Na dann. Schau doch mal, ob sie heute Zeit haben, dann könnt ihr ja was zusammen machen."

Ich lud sie ein und wir spielten zuerst im Zimmer Ball. Irgendwann gingen wir nach draußen. Da öffnete sich Mamas Bürofenster und sie rief hinaus: "Was zur Hölle machst du da?"

"Ich spiel' mit Mario und Luigi fangen. Gibt's noch dämlichere Fragen?"

"Hä? Wo sind sie denn?"

"Musst du zum Optiker oder so? Mario steht neben mir und Luigi springt auf dem Trampolin." Ich sah mich um und sah, wie Luigi vom Trampolin abstieg und zu uns kam. Mama wirkte aber total verstört und rieb sich die Augen und schloss dann das Fenster. Ich sah, dass sie nach dem Telefonhörer griff und eifrig eine Nummer wählte. "Wahrscheinlich hat sie den Optiker angerufen", dachte ich und spielte mit Mario und Luigi weiter Fangen.

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