Literatur:Geheime Gefühle im Selbstverlag

Starnberg Nelli Welzel-Pietsch

Nelli Welzel-Pietsch alias "Nelli Novell" schreibt an ihrem dritten Buch.

(Foto: Arlet Ulfers)

Die Autorin Nelli Welzel-Pietsch arbeitet an einer halb autobiografischen Trilogie

Von Manuela Warkocz, Starnberg

Zuerst ging es Nelli Welzel-Pietsch um ihre eigenen dunklen Wurzeln, um die Kriegs- und Nachkriegsbiografie ihrer Mutter. Jetzt geht es um die eigenen Schatten, die die Starnbergerin schreibend verarbeiten will. Hoch über der Stadt empfängt sie den Gast im lichten neuen Haus mit Blick auf den See und viel asiatischem Mobiliar. Schwarze Hose, schwarzer Pullover, scheue Gesten. Sie ist es nicht gewohnt, dass viel Gewese um sie gemacht wird. "Ich bin nicht gut in Selbstvermarktung", sagt sie, lächelt - und holt rasch die eigens gebackenen Schokoschnitten aus der Küche. Am großen Esstisch erzählt die Autorin von ihrer Herkunft, die sie bis heute im Denken und Schreiben prägt.

Geboren ist sie 1968 als jüngstes von sieben Kindern in Karaganda in Kasachstan. Ihre Eltern hatte es als Russlanddeutsche dorthin verschlagen. Als sie ein halbes Jahr alt war packte die Familie zwei Koffer und zog nach Estland. Sie hoffte vom Baltikum aus leichter nach Deutschland ausreisen zu können. Aber erst im Sommer 1974 erhielt sie ein Visum. Für die sechsjährige Nelli war der Start im ersehnten Land schwer: "Zopf, Rock, Strumpfhose - das kam gar nicht gut an bei den andern. Mein Deutsch auch nicht. Daheim haben wir Plattdeutsch gesprochen. Meine Eltern musste ich siezen." Als sie mit 18 vier Autos bei einem Unfall zusammenschiebt und von der Polizei nach Hause gebracht wird, bittet sie die Beamten am Nachbarhaus zu parken.

"Die Angst, willkürlich verschleppt zu werden, saß tief", erinnert sich die heute 48-Jährige. Der Vater, lange in einem sibirischen Gefangenenlager interniert, vermutet in jedem schwarzen Auto KGB-Agenten. Die Mutter lassen die schlimmen Erinnerungen nicht los. "Sie hat viel geweint. Die älteren Schwestern wollten von den 'alten Kamellen' nichts mehr hören. Ich habe mitgeweint." Als ihre erste Tochter geboren wird, beschließt Neli Pietsch, wie sie damals hieß, die Geschichte ihrer Mutter festzuhalten. Findet im 13. Anlauf im Rosenheimer Verlagshaus einen Verleger.

Die autobiografische Spurensuche "Verlorene Heimat - Flüchtlingsschicksal zwischen Deutschland und Russland" kommt an bei Lesern. Immerhin 8000 Exemplare wurden seit dem Erscheinen im Jahr 2006 verkauft. Nicht schlecht für den Erstling einer Unbekannten. Das machte Nelli Welzel-Pietsch Lust auf mehr. Sie legte sich das Pseudonym Nelli Novell zu, verfasste einen Thriller über Blutdiamanten, der zwischen Südafrika und Hohenschäftlarn, ihrem früheren Zuhause pendelt. Und wachte ein wenig ernüchtert auf. "Der lief gar nicht flüssig", bekennt sie. "Unter 100, naja vielleicht 50 Exemplare" seien im Selbst-Publishing rausgegangen, trotz Signierstunde in der Starnberger Buchhandlung Bücherjolle. Ob's daran lag, dass das Thema 2014 schon ziemlich abgegriffen war? Oder dass die Autorin Südafrika nicht selbst kannte?

Trotz des Flops hat sie sich wieder hingesetzt, wieder ein Sujet herangezogen, das sie aus eigener Erfahrung gut kennt: Trennung, Scheidung, Gefühls- und Lebenschaos. Beurlaubt von ihrem Job als Verwaltungsinspektorin, um die 14- und 16-jährigen Töchter groß zu ziehen und mit ihrem zweiten Mann an der Seite schlägt sie sich schreibend die Nächte um die Ohren. Gerade bringt sie ihr neues 400-Seiten-Werk zu Ende. "Geheime Gefühle" soll im kommenden Februar erscheinen, wieder im Selbstverlag, wieder unter Nelli Novell.

Recht ambitioniert ist die Geschichte um Priscilla Paulus als Trilogie angelegt. Insgesamt dann etwa 1200 Seiten über die Selbstfindung einer Frau und allein erziehenden Mutter nach der Scheidung, die zuerst von Männern nichts mehr wissen will, sich dann in Abenteuer stürzt und gegen alle möglichen Widrigkeiten kämpfen muss - bis zum Wendepunkt in ihrem Leben... Seit 2008 arbeitet sie am ersten Teil, hat ihn acht Mal überarbeitet. "Mein schreibintensivstes Buch, halb autobiografisch", sagt sie, streicht vorsichtig über das dicke Manuskript und spricht von ihrem "dritten Baby". Das kommt daher mit Internet-Dating, warnt vor dubiosen Ratschlägen von TV-Wahrsagern, bringt ein bisschen Esoterik mit dem "Gral des Lebens" mit und jede Menge Erotik. "Gerade die Szenen sind mir am allerschwersten gefallen", sagt die Schreiberin, da spukte das konservative Elternhaus im Hinterkopf.

Und was, wenn auch dieses Buch sang- und klanglos untergeht im uferlosen Treibsand der Frauen-, Ratgeber und Schicksalsromane? "Natürlich schreib ich nicht nur für mich. Ich will Frauen ansprechen, die verzweifelt sind und ihnen Mut machen, dass nach einer Scheidung das Leben nicht zu Ende ist."

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