Literatur:Caro und die bösen Schwestern

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Inga Persson, Wirtin und Krimi-Autorin vom Ammersee. (Foto: Georgine Treybal)

Inga Persson, Nordlicht und Wirtin der Dießener Schatzbergalm, hat einen Ammersee-Krimi geschrieben. Nach packendem Beginn tappt die Autorin jedoch in so manche Klischee-Falle und offenbart zudem ein fragwürdiges Frauenbild

Von Armin Greune, Dießen

Nach "Fünfzehenland", "Champagnerblut" und "Seemafia" nun also "Tod am Ammersee": Schon wieder so ein neuer Heimatkrimi, möchte man als Lokalreporter ausrufen. Noch dazu von einer literarischen Debütantin, die im Hauptberuf Wirtin der beliebten Dießener Ausflugsgaststätte "Schatzbergalm" ist. Doch dann erfährt man, dass Inga Persson Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie studiert, promoviert und auch schon für Bundestagsabgeordnete und Agenturen getextet hat. Und die ersten Seiten ihres Romans lesen sich dann auch so packend, dass der Verdacht des Dilettantismus einer Vorfreude auf spannende Lektüre weicht.

Aber dann - Kapitel für Kapitel - erodieren diese hohen Erwartungen. Den starken Start, den Persson vorlegt, kann sie im weiteren Verlauf von "Tod am Ammersee" nicht halten, und der atmosphärisch dichte Prolog spielt in der weiteren Handlung keine Rolle mehr. Der Leser begleitet stattdessen "das Nordlicht" Carola Witt, Mitarbeiterin eines Berliner Abgeordneten, auf eine parteiinterne Mission an den Ammersee und in den Pfaffenwinkel. Dort findet sie erst ein ländliches Idyll, dann zwei Brüder im heiratsfähigen Alter - und obendrein noch eine frische Leiche. Um die beiden Brüder indes kreisen fortan Caros Gedanken, es sind halt echt urig-bayerische Typen, die einer Großstadt-Pomeranze aus Berlin schon mal den Kopf verdrehen können. So begibt sich Carola - aus nicht immer nachvollziehbaren Motiven - in einen Abgrund aus Raubkunst und Hehlerei, der sie fast das Leben kostet.

Zum Glück fällt sie aber dann doch im Showdown dem fescheren Bruder Lenz ("fliederfarbener Pulli, Bügelfalte in der Hose und dunkelbraune Lederschuhe") wortwörtlich "in die Arme". Der arbeitet, welch' ein Zufall, bei der Kripo Weilheim. Bei der Gelegenheit legen die Tatverdächtigen gleich ein umfassendes Geständnis ab und klären die Hintergründe bis ins Jahr 1949 zurück auf - schließlich ist das Buch schon auf Seite 270 von 288 angelangt.

Die Ermittlungen der beiden Kommissare kamen bis dahin eher zäh voran, immerhin hatten sie aber auf Seite 226 eine kriminalistisch bahnbrechende Inspiration: "Was uns fehlt ist ein Motiv. (... ) Aber ich sage dir, wenn wir das wissen, haben wir auch den Täter." Bis dahin liest sich der Roman zwar flüssig, wirklich zu fesseln vermag er aber nicht. Weite Strecken nehmen vielmehr Szenarien ein, die Einheimischen durchaus vertraut sind: von der detaillierten Beschreibung der Häuserzeile in Weilheims Oberer Stadt über einen idyllischen Biobauernhof bis hin zum Marienmünster. Und stets leuchtet irgendwie der blaue Ammersee herüber. Das alles beeindruckt die zunächst sehr bayernskeptische Caro natürlich: "In einiger Entfernung schaufelte auch noch ein riesiger Raddampfer mit einem hohen Schornstein und einer bunten Wimpelkette geschmückt über den See. Beinahe kitschig. Aber eigentlich nur schön." Zwangsläufig erliegt die Protagonistin dem "bayerischen Dolce Vita": "Wie in Italien, dachte Carola." Töpfermarkt, Wiesnrausch und Heiliger Berg: Kein Klischee wird ausgelassen, so dass gar der Verdacht aufkommt, "Tod am Ammersee" könne im Auftrag des hiesigen Fremdenverkehrsamts geschrieben worden sein.

Ähnlich oberflächlich sind die Hauptpersonen skizziert; weder Caro noch Lenz werden dem Leser wirklich näher gebracht. Dafür erfährt er stets präzise, wer wie gekleidet ist. Der stilbewusste Bayer etwa trägt an den Füßen "handgenähte Budapester". Die Gefühlswelt dieser konturlosen Protagonisten wird eher unbeholfen in Form von inneren Monologen wiedergegeben: "Du blöder alter Hund, rief er sich zur Räson. Super Zeitpunkt, dich zu verknallen, schimpfte er mit sich. Konzentrier dich endlich, das hier ist ein Tötungsdelikt."

Zwei Winter hat Persson im Ammersee-Denkerhaus an ihrem Krimi gestrickt. Aus Schleswig-Holstein kommend ließ sie die Liebe in Dießen stranden, vor einigen Jahren heiratete sie in die Schatzbergalm ein. Wie viel eigene Biografie wohl in ihrem Erstling verarbeitet ist? So eine fiese Politikkandidatin wie Kathi Bergegger, die Caros Abgeordnetem den Listenplatz streitig macht, wird Persson allerdings schwerlich am Ammersee getroffen haben. Überhaupt durchzieht den Roman eine gewisse anti-emanzipatorische Haltung: Die vom Verlag als "schlagfertige, ehrgeizige und professionelle norddeutsche Powerfrau" beschriebene Hauptdarstellerin wirkt auf den Rezensenten vor allem naiv, hormongesteuert und ihrem Chef servil und kritiklos ergeben. Als weitere Frauenfiguren tauchen eigentlich nur noch die schönen und reichen, bösen und habgierigen Schwestern Bergegger auf. Aber vielleicht sehen das Leserinnen ja ganz anders. Oder die oft schwarz gekleideten Schwestern gehören zum "hintergründigen Witz" des Buchs, von dem im Klappentext die Rede ist.

© SZ vom 15.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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