Süddeutsche Zeitung

Liedermacher:Schmidl und Sohn

Es bleibt in der Familie: Werner Schmidbauer präsentiert sein sehr persönliches Soloprogramm "Bei mir" in Dorfen

Von Susanne Hauck, Icking

Werner Schmidbauer hat mehr Verbindungen zu Wolfratshausen, als man denkt. Seine erste Frau ist dort aufgewachsen. "Wahnsinnig friah kennaglernt und valiabt, zwoa Kinder kriagt und wahnsinnig friah getrennt", erinnert sich der Musiker und Fernsehmoderator. An der Isar ist er am Samstag spazieren gegangen, an eben der Stelle, wo sie sich oft zum Baden getroffen haben. Zum Abschied hatte er damals ein Lied für seine Frau geschrieben. Das wehmütige "Andere Lieder" lag jahrzehntelang tief in der Schublade begraben. In den vergangenen anderthalb Jahren hat er es 70 Mal live gespielt. "Bei mir" heißt Schmidbauers Tournee - und er dürfte mittlerweile bei sich angekommen sein, denn das Vereineheim in Dorfen ist am Abend so ziemlich die letzte Station.

Die Solo-Konzerte seien ihm ein Bedürfnis gewesen, nach 23 Jahren mit seinem langjährigen Partner Martin Kälberer, erzählt er. "Wie ein altes Ehepaar" hätten sie sich gefühlt. Aber eines, das anscheinend doch nicht voneinander lassen kann, denn Schmidbauer ertappt sich später dabei, wie er aus Gewohnheit "Martin" zu seinem Sohn und Mitmusiker Valentin sagt. Auch sonst ist die Auszeit fast vorbei, in wenigen Wochen geht es wieder mit Kälberer und dem sizilianischen Liedermacher Pippo Pollina auf die Tournee "Süden II". Zu dritt haben sie schon die Arena von Verona mit 10 000 Leuten gefüllt.

Am Samstag aber steht Schmidbauer vor 200 Zuhörern, damit sind die Plätze in Dorfen ausverkauft. Schmidl, wie er oft genannt wird, fragt erst mal ab, wie viele ihn zum ersten Mal hören. Gut ein Drittel der Hände geht hoch. "Hoppala, das wird doch kein Reisebus aus Bielefeld sein", witzelt er. Es ist das Abo-Publikum der Veranstaltungsreihe "BrotZeit & Spiele", viele müssen ihn und seine Musik erst mal kennenlernen. Dazu haben sie ausreichend Gelegenheit an diesem sehr persönlichen Abend. Schmidbauer lässt die Zuhörer in sein Leben, indem er von seinen Sorgen, Ängsten, Wendepunkten, Sehnsüchten und Glücksmomenten erzählt und singt. Ausgewählt hat der 57-Jährige außer "Momentnsammler" nicht die ganz bekannten Titel, sondern noch nie oder lange nicht mehr gespielte Songs. "Herzenslieder" nennt er sie. Nach dem Abschiedskonzert mit Kälberer habe er ein Jahr lang nicht mehr für Geld arbeiten wollen. Er verwirklichte einen Jugendtraum und fuhr mit dem VW-Bus mehrere Monate lang durch die Mittelmeerländer. "Boah ist das Freiheit, du kommst dir vor wie John Wayne."

Schmidbauer hat große Bühnenpräsenz. Er ist locker drauf, kommt authentisch und bodenständig daher, die Sympathien fliegen ihm zu. Die Lieder beginnen oft verhalten, um sich dann musikalisch kraftvoll zu steigern. "Dei Liacht" ist dem Vater gewidmet, der auf einer Skitour tödlich verunglückte, als Schmidbauer noch ein ganz junger Mann war.

Von Gitarre und Harp begleitet, singt er vom Älterwerden, von Männerfreundschaften, von seiner Lebenseinstellung und erfüllenden Momenten in den Bergen. Nach der Pause gibt es mit zwei Songs ("Stell dir voa" und "Nia vorbei") zwei Kostproben von der neuen "Süden"-CD, dann wird es zunehmend gesellschaftskritischer. Und im letzten Drittel des zweieinhalbstündigen Konzerts gibt es noch einmal einen richtigen Kick. Bei "Nebelmeer" erklingt plötzlich eine unsichtbare Zweitstimme. Hinter dem Vorhang tritt Valentin Schmidbauer hervor, der Sohn. Der 30-Jährige ist Liedermacher wie der Vater. Schon optisch ist er eine ganz andere Erscheinung, er trägt Vollbart, wie man es in seinem Wohnort Berlin gern tut. Nächste Überraschung: Valentin singt Hochdeutsch. Seine Texte sind poetischer als die des Vaters, die Melodien ausgefeilter.

Zwei Generationen Schmidbauers auf der Bühne sind ein toller Kontrast. Zum Schluss stänkern sie in "Zeit der Deppn" gemeinsam über politische Nullen von Bush über Berlusconi bis Trump. Ein wohlwollendes Publikum belohnt sie dafür mit ordentlich Beifall.

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Quelle:
SZ vom 22.01.2019
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