Lesung und Konzert:Zeitvertreib mit Unterleib

Lesung und Konzert: Im Duett: Julia von Miller und Anatol Regnier.

Im Duett: Julia von Miller und Anatol Regnier.

(Foto: Arlet Ulfers)

Julia von Miller, Anatol Regnier und Frederic Hollay geben in Starnberg das herrlich altmodische Programm "Die Liebe ist ein seltsames Spiel" mit Liedern und Texten von Aristoteles bis Lale Andersen

Von Katja Sebald, Starnberg

Das Fest der Liebe steht ja jetzt wieder mit aller Unerbittlichkeit vor der Tür. Für Elisabeth Carr war das Anlass genug, im allgemeinen Jingle-Bells-Rummel der angeblich "staaden Zeit" zu einem Abend für in Liebe verbundene Paare einzuladen, der ganz ohne Glühwein dazu angetan war, Herzen zum Glühen zu bringen: Mit Julia von Miller, Anatol Regnier und Frederic Hollay bespielte die Starnberger Kulturveranstalterin wieder einmal ihren "Herzensraum", den ehemaligen Wartesaal für allerhöchste Herrschaften im Bahnhof am See. Vor vielen Jahren hatte sie ihn entdeckt und aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Die musikalische Lesung unter dem Motto "Die Liebe ist ein seltsames Spiel" am Samstagabend fand in Kooperation mit der Stadt Starnberg statt und war bis auf den allerletzten Platz ausverkauft.

"Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Sie kommt und geht von einem zum andern." Diese Liedzeilen, die auf der Einladungskarte Conny Froboess zugeschrieben werden, in Wirklichkeit aber 1960 von Connie Francis gesungen wurden, stehen programmatisch über dem bezaubernd altmodischen Abend, durch den der "Zeitzeuge", Schriftsteller und Musiker Anatol Regnier führt. Der 1945 als Sohn von Pamela Wedekind und Charles Regnier geborene Ambacher trägt die meisten Gedichte auswendig vor, nicht nur die seines Großvaters Frank Wedekind, der Liebesfreud und Liebesleid wie kaum ein anderer kannte und am Ende zu dem Ergebnis kam, dass es in der Liebe nur zwei mögliche Katastrophen gibt: Entweder man bekommt nicht, was man möchte - oder man bekommt es. Bert Brecht, ebenfalls ein Kenner der Materie, befand in seinem berühmten Gedicht: "So scheint die Liebe Liebenden ein Halt." Erich Kästner hingegen sah die Sache deutlich pragmatischer: "Die Liebe ist ein Zeitvertreib, man nimmt dafür den Unterleib." Und Robert Lembke gar bezeichnete sie als "tolle Krankheit, bei der gleich zwei Leute ins Bett müssen". Von Aristoteles über Goethe, Fontane und Schnitzler bis hin zu Trude Herr und Lale Andersen - das ist die zeitliche und inhaltliche Bandbreite, den dieses charmante Liebesprogramm umspannt und in dem der feinsinnig musikalische Regnier sich wieder einmal als Grandseigneur der Vortragskunst erweist.

Sängerin Julia von Miller, passend zum Thema bis zu den Samtschuhen ganz in Rot gekleidet, übernimmt dabei den weiblichen Gegenpart: Mal ist sie kokett, mal kapriziös, mal lasziv und mal trotzig. Sie empfiehlt "Du musst die Männer schlecht behandeln, dann sind sie lieb und gut zu Dir" - und beschwert sich gleich darauf: "Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann." Julia von Miller, die mit ihrer schönen Chansonstimme vor allem bei den Liedern der Zwanziger- und Dreißigerjahre glänzt, singt "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt". Und Regnier antwortet ihr mit der berühmten Persiflage von Armin Berg "Ich bin zu faul zum Lieben schon, ich kann nur reden davon - und sonst gar nichts."

Mal lesen die beiden Texte mit verteilten Rollen, mal singen sie im Duett und mal spielen sie gegeneinander. Mal will er sie verlassen und sie steht "im Regen und wartet". Und mal schmachtet er im "Moonlight uhuhuhu". Musikalisch wird das ungleiche "Liebespaar" von Frederic Hollay am Klavier unterstützt, der sich hier und da auch mal mit einem kleinen Kommentar einmischen darf. Und so steuert dieser wundersam nostalgische Abend langsam aber sicher auf Heinz Erhardt zu und sein ach so wahres Geständnis: "Zur Liebe ist es nie zu spät, auch wenn der Herbstwind weht. . ." Als Zugabe gibt es noch das von Regnier eigens für den Auftritt gedichtete: "Ich bin ein Mädchen von Leoni und warte auf die großen Schiffe aus Seeshaupt und Berg und von der Wasserpolizei. . ."

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