Lesung:Tipps von de Mann

Lesung: Kampf mit den deutschen Umlauten: Autor Abbas Khider bei seiner Lesung in Gauting.

Kampf mit den deutschen Umlauten: Autor Abbas Khider bei seiner Lesung in Gauting.

(Foto: Arlet Ulfers)

Abbas Khider stellt sein Deutschbuch vor

Von Blanche Mamer, Gauting

Er hat ein ansteckendes Lachen, rollt die großen schwarzen Augen beim Vorlesen und erzählt auch mit den Händen. Abbas Khider, 1973 im Irak geboren und aufgewachsen und als Flüchtling nach Deutschland gekommen, hat heute die deutsche Staatsbürgerschaft und ist ein außerordentlich erfolgreicher deutscher Autor. In die Gautinger Buchhandlung Kirchheim ist er mit seinem neuen Buch "Deutsch für alle" gekommen, und es gelingt ihm innerhalb von Minuten, die mehr als 100 Zuhörer zu packen.

Ein verhältnismäßig dünnes Büchlein, in dem die deutsche Sprache und Grammatik auseinandergenommen und auf kuriose und sehr vereinfachte Weise in dem "endgültigen Lehrbuch" wieder zusammengesetzt wird - ja wer liest denn so was? Buchhändler Marc Schürhoff meint, eigentlich würde er nichts über deutsche Grammatik lesen, doch von Khider schon, denn er kennt und liebt dessen Bücher seit einer Lesung aus "Der falsche Inder" vor mehr als zehn Jahren bei Lehmkuhl in München.

Seit 19 Jahren lebt Khider in Deutschland, zunächst in München, wo er auch studiert hat und wo er das Bairische ob der einfachen Grammatik schätzen lernte. Einiges hat er direkt in seine Vorschläge übernommen. Vor seiner Flucht aus Bagdad kannte er drei deutsche Wörter, schreibt er im ersten Satz: Hitler, Scheiße und Lufthansa. Heute ist sein Wortschatz um so vieles größer, doch seinen Leidensweg zum korrekten Hochdeutsch hat er nicht vergessen. Zwar kennt er sich bestens aus mit den grammatikalischen Fallstricken wie Konjugationen, Deklinationen und Präpositionen, Traumata für Migranten, die als Erwachsene die deutsche Sprache lernen müssen. Aber die Umlaute sind ihm nach wie vor ein Greuel: Noch heute, nach einem Literatur- und Philosophiestudium und mehreren deutschen Romanen, kämpft er mit der Aussprache.

Vor allem das Ä gehöre zu den schrecklichen Kreaturen, man müsse den Mund verstellen, fast miauen wie eine Katze. Sein Trick: Er versucht ständig, Paraphrasen zu finden oder Umgehungen. "Öl heißt dann einfach Fett, Bücher sind Werke, Hähnchen und Hühnchen heißen Chicken und Geflüchtete und Ausländer sind einfach nur Asylanten." Wobei Schürhoff die schwierigen ö-,ü-, und ä-Wörter lesen muss - und Khider mit den Augen rollt und bei den schwierigen Silben wie ein Dirigent beide Zeigefinger hebt.

Wie schwierig sich Ausländer tun, erklärt er mit den Verben. Es gibt Regeln, klar, aber fast noch mehr Unregelmäßiges. Zum Beispiel gehen. Gehen, gehte, gegeht? Nein, gehen, ging, gegangen. Oder nehmen. Nehmte, genehmt, , genimmt, genammen? Nein, nehmen, nahm, genommen. Wie soll man das lernen? Und dann der Artikel und das Genus. Die Frau weiblich, o.k., das Mädchen, das Weib, sächlich. "Denken Sie an Shakira. Ist Shakira sächlich?"

Es müsse doch möglich sein, deutsch so zu verändern, dass auch über 30-jährige Zugewanderte kommunizieren könnten. Was heißt, dass erst mal die Umlaute abgeschafft werden. Dann braucht es nur noch einen Artikel wie im Englischen, nämlich "de"; Genitiv und Dativ werden abgeschafft. In seinem Neudeutsch heißt es somit nicht mehr "des Mannes", sondern "von de Mann". Die Verben stehen immer an zweiter Stelle, auch in Nebensätzen, und sie werden nicht getrennt. Beispiel: "Das Kind steht auf" würde in seiner Version zu "Das Kind aufsteht".

Die Anzahl der Präpositionen wird auf ein Mindestmaß reduziert, zwei aus dem Arabischen entlehnte Begriffe - er nennt sie die Präpositionen von Allah - vereinfachen die Sätze weiter. Für "aus" und "von" setzt er "min", während "nach, auf, zu, bis und in" zu "ila" werden. Adjektive werden von der Deklination befreit. Seine Vorschläge klingen meist einleuchtend und verblüffend einfach, hören sich aber doch ziemlich irre an.

Jedenfalls sei Deutsch, diese Hammersprache, in kurzer Zeit nicht zu lernen. So sei es ihm erst nach einigen Jahren gelungen, auf dem Weihnachachtsmarkt in Passau selbstständig und stolz Glühwein zu bestellen: "Ich heite gern Klowein" - seine vereinfachte Form würde der Völkerverständigung gut tun.

Doch keine Frage, die Muttersprachler dürfen gern weiterhin kompliziert sein. Und sich vor Augen halten, dass es auch für sie schwierig ist mit fremdem Sprachen. Was im Deutschen die Umlaute sind, das sind im Arabischen die Rachenlaute. Seinen Namen richtig auszusprechen, das schafft kein nun mal Deutscher: Khider wird in Wahrheit nämlich ausgesprochen wie "Chdr" (oder so ähnlich), sagt der Autor und verabschiedet sich nach eineinhalb Stunden mit breitem Lachen.

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