Lesung in Gauting:Theodor und der Rap

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Rollenspiele: Cornelia Bernoulli und Ernst Matthias Friedrich. (Foto: Nila Thiel)

Der Fontane-Abend der Schauspieler Bernoulli und Friedrich im Bosco

Von Isabella Falkner, Gauting

"Das ist ein weites Feld", antwortet Theodor Fontane auf die Frage von Cornelia Bernoulli, was denn die Quintessenz seines Schaffens ist. Fontane? Na ja, der Dichter weilt seit dem 20. September 1898 nicht mehr unter den Lebenden, doch das übergingen die Schauspieler Ernst Matthias Friedrich und Cornelia Bernoulli bei ihrer Lesung im Gautinger Bosco gekonnt: In dem Live-Hörspiel finden sich die Besucher in einer Radio-Sendung wieder, mit Bernoulli als Moderatorin und einem Hologramm Fontanes als Gast - gespielt von Friedrich.

Mit viel Fantasie, Verkleidungskunst und Schauspielerei gelingt den beiden gleichsam ein Rundumschlag: Sie vermitteln Fontanes Werke, seine persönlichen Kommentare dazu und zugleich noch Teile seiner Biografie. Dabei schlüpfen Bernoulli und Friedrich zwischendurch immer wieder aus der Rolle der Moderatorin und des Schriftstellers heraus und in die Figuren aus Fontanes Romanen hinein.

Und das alles nicht ohne literarische Grundlage: 99 Prozent von dem, was Fontane in dem Stück von sich gibt, ist original von ihm. Der Text des Hörspiels stammt aus der Feder von Bernoulli. Anlass der Lesung ist der 200. Geburtstag Fontanes. Sie habe schon als junges Mädchen gerne seine Werke gelesen, so Bernoulli. Für das Stück habe sie nächtelang in Bibliotheken in Doktorarbeiten und natürlich den Werken selbst lange gestöbert.

Nachdem der Schriftsteller die Moderatorin durch sein Unverständnis gegenüber der modernen Technik und der heutigen Gesellschaftsstrukturen auf die Probe stellt, beginnen die Zwei mit dem ersten und wohl bekanntesten Werk Fontanes - "Effi Briest". Fontane, nun in der Rolle von Effis Vater, und Bernoulli als Effis Mutter diskutieren angeregt über die Verlobung ihrer Tochter mit dem alten Baron von Innstetten. Verlobung, Liebe, gesellschaftliche Zwänge und Ehebruch, das sind die Themen, die sich durch die ganze Vorstellung ziehen. Dabei kommentiert Fontane auch in den folgenden Werken die Hintergründe der jeweiligen Geschichten: So war das Vorbild für die Figur Corinna, die Tochter des Professors Schmidt in "Jenny Treibel", Fontanes Tochter Mete.

Als die beiden auf den Roman "Unwiederbringlich" zu sprechen kommen, folgt das absolute Highlight des Abends: Fontane rappt mit viel Mimik und Humor über Beamte. Auch "Irrungen, Wirrungen" und "Der Stechlin" kommen zur Sprache, immer wieder lassen die beiden spielerisch Fakten über Fontanes Leben einfließen - sei es, dass Fontane als Theaterkritiker für die Vossische Zeitung mehr als 700 Rezensionen geschrieben hat, sei es, dass er erst mit 56 Jahren seinen Job als erster Sekretär an der Akademie der Künste kündigte, um nur noch Romancier zu sein. Über sein Privatleben will sich Fontane sonst aber nicht so gerne äußern und weicht Fragen immer wieder aus. Aber seine Werke sprechen dahingehend teilweise für sich, Quintessenz ist immer die: schwache Männer, starke Frauen.

© SZ vom 26.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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