Lesung:Eine Frau will Gerechtigkeit

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Petra Morsbach liest aus ihrem neuen Roman "Justizpalast". Bei ihren Recherchen dazu hat sie unzählige Gerichtsverhandlungen verfolgt und auch das Starnberger Richter-Ehepaar Schrötter befragt

Von Blanche Mamer, Starnberg

Schon mit Anfang 20 hat sie gedacht, man müsste einen Roman über einen Richter schreiben. Damals wusste sie aber noch nicht, dass sie Schriftstellerin werden und sich 30 Jahre später wirklich mit dem Thema auseinandersetzen würde. Das erzählt Autorin Petra Morsbach am Freitag in der Bücherjolle in Starnberg den aufmerksamen Zuhörern, unter ihnen der Schriftstellerkollege Johano Strasser. Sie liest aus ihrem neuen Roman "Justizpalast", in dem sie sich mit Theorie und Praxis der Gerechtigkeit auseinandersetzt.

Fast elf Jahre hat sie gebraucht, bis der Roman fertig war, hat sehr viel recherchiert, sich mit den Gesetzen befasst, mit Anwälten und Richtern gesprochen und unzählige Gerichtsverhandlungen verfolgt. "Anfangs habe ich nur wenig verstanden, habe mitgeschrieben, tausende von Seiten. Ich bin schwerhörig und habe schon deshalb manches nicht mitbekommen. Jedenfalls musste ich mir hinterher diese juristische Sprache erst erklären lassen", antwortet sie auf eine Frage aus dem Publikum. "Eigentlich hätte ich nach drei Jahren aufgeben müssen. Die Konflikte, aus denen sich Menschen nicht selbst befreien können und die dann vor den Richtertisch kommen, gingen mir sehr nah", sagt sie. Sie habe sich gequält, Pause gemacht, war kurz davor, das Thema zu begraben. Doch irgendwann hat es sie doch wieder gepackt.

"Justizpalast" ist die Geschichte von Thirza Zorniger aus München. Sie stammt aus einer schlechten Ehe, ihr Vater ist ein älterer Schauspieler, ihre junge und schöne Mutter hat das Jurastudium abgebrochen, sie verbittert, stirbt früh. Thirza wächst bei den Großeltern und zwei ältlichen Tanten auf, ist vorbelastet durch den Großvater, der während des Krieges Richter und Nazi war und nun in der Rechtsabteilung des Bayerischen Rundfunks arbeitet. Für die Protagonistin ist früh klar, dass sie Richterin werden will, weil sie Gerechtigkeit will. Und sie bemüht sich stets, alles richtig zu richten. Ein reales Vorbild für Thirza gebe es nicht, sie sei eine Erfindung, aus vielen verschiedenen Persönlichkeiten gewachsen; "Ich wollte eine Frau, die aus einem anderen Milieu kommt, sich alles erarbeiten muss und darum einen besonderen Blick auf die Justiz hat," sagt Morsbach. Es habe lange gedauert, bis sich ihr ein Bild des Milieus und die Komplexität der Rechtsprechung erschlossen habe. "Man kann Recht nicht erzwingen, und man kann es nicht kaufen", stellt sie fest. Die Gesetze seien abstrakt, formelhaft, starr, dabei gehe es um Menschen und ihre Leben.

Das Richterehepaar Gisela und Gerhard Schrötter (Richterin am Amtsgericht Wolfratshausen und Richter am Amtsgericht Starnberg, beide im Ruhestand) hat sie 2008, noch ganz am Anfang ihrer Recherche, befragt. Richter Schrötter, der im Publikum sitzt, spricht ihr ein großes Lob aus: Es sei alles genau richtig. Die Fälle seien sehr gut in Thirzas Geschichte integriert, und Petra Morsbach habe erkannt, dass es neben dem Wort des Gesetzes mehr brauche, um Gerechtigkeit zu erreichen. "Einige Gesichtspunkte, die ich versucht habe zu transportieren, hat sie ausgezeichnet eingearbeitet", so Schrötter. Peter Hanke, der wie Carola Merseburger vom Kulturforum Starnberg den Abend moderierte, sagt, ihn habe beeindruckt, wie sie das soziale Geflecht des Landgerichts mit mehr als 160 Richtern und den gesamten Apparat des Justizpalastes darstelle - was die Autorin sehr freute. Schon bevor das Buch erschienen sei, habe es erste Kritiken von Richtern gegeben: Nicht alle waren positiv, sagt sie und schmunzelt. Sie hat in diesem Jahr bereits den Roswitha-Preis bekommen und wird am 5. November in Braunschweig mit dem Wilhelm Raabe Literaturpreis 2017 geehrt. Das Buch ist im Knaus-Verlag erschienen.

© SZ vom 30.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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