Lesung:Der andere Ganghofer

Erika Schalper trägt Auszüge aus Werken des Schriftstellers vor, der als König des Alpenkitsches gilt

Von Sylvia Böhm-Haimerl, Gauting

Liebe, Herz, Schmerz, dazu Jäger und Wilderer vor idyllischer Alpenkulisse - so kennt man die schwulstig-trivialen Romane des Heimatdichters Ludwig Ganghofer. Doch wer den Münchener Schriftsteller für den König des Alpenkitsches hält, lernte auf einer Lesung in Unterbrunn eine andere Seite des Autors kennen. Die Starnberger Künstlerin Erika Schalper arbeitete durch die Auswahl der Texte nämlich heraus, was hinter dem Klischee steckt. Sie selbst betrachtet Kunst wertfrei. Auch Kitsch sei Kunst, solange die Menschen berührt werden, erklärte sie, als sie mit vor Schmalz triefender Stimme eine typische Ganghofer-Szene las. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung im Gasthof Böck von dem Folksänger Eric Berthold.

Ganghofer schrieb banal und kitschig, weil sich schon damals viel Geld damit verdienen ließ. Mit mehr als 30 Millionen verkauften Büchern gehört er zu den meistgelesenen deutschen Schriftstellern. Seine Romane, wie "Der Jäger vom Fall" oder "Der Herrgottschnitzer von Ammergau, wurden in den 1920-er und 1950-er Jahren mit großem Erfolg verfilmt. Nur wenige wissen, dass der promovierte Germanist auch ein Intellektueller war, der von seinen Schriftsteller-Kollegen wie Hugo von Hoffmannsthal, Rainer Maria Rilke oder Ludwig Thoma anerkannt und geachtet wurde. Ganghofer hat den Komiker Karl Valentin entdeckt. Er unterstützte unbekannte Autoren und nutzte seine Bekanntheit, um sich für Schriftsteller einzusetzen, die zensiert wurden.

Doch Ganghofer bediente nicht nur die Heimat-Idylle, er verfasste auch historische Romane. Schon 1914 beschreibt er in seinem Roman "Der Ochsenkrieg" die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges. Im Roman "Schweigen im Walde" konnte er durchaus selbstironisch sein, als er beschrieb, wie sich der Leser über Bücher aufregt, die kein Happy End haben. Und bei den Geschichten von der heilen Bergwelt wie im "Jäger vom Fall" bewies er, dass er als Dramaturg am Ringtheater und Feuilleton-Redakteur in Wien gelernt hatte, zu recherchieren, zu arrangieren und Stoffe dramaturgisch in Szene zu setzen. Leider wurde aus dem Roman um den schönen Wilderer erst am Ende der Veranstaltung gelesen. Für den Geschmack einiger Besucher war das zu wenig.

Zur Weihnachtszeit hätten sie sich mehr von dieser gefühlvollen, romantischen Heimatidylle gewünscht. Auch die Wirtshausmusik, die in der Gaststube nebenan gespielt wurde, hätte ihrer Meinung nach besser zu Ganghofer gepasst als die Georgia- und Virginia-Hymnen, die Eric Berthold präsentierte, dessen Stimme zudem krankheitsbedingt etwas lädiert war.

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