Süddeutsche Zeitung

Unwetter:Tornado über dem Starnberger See

Vor dem Ortsteil Leoni baut sich eine 40 Meter hohe Wasserhose auf. Zwar sind die Wirbelstürme in Bayern selten, doch im Herbst sind die Voraussetzungen günstig.

Von Carolin Fries

"Das war wirklich beeindruckend": Walter Kohlenz, Vorsitzender der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Pöcking-Starnberg, hat am Sonntagnachmittag von der Wasserrettungsstation in Possenhofen aus einen Tornado über dem Starnberger See beobachtet. Eine etwa 30 bis 40 Meter hohe Wassersäule habe sich vor Leoni gen Himmel geschraubt und mal stärker, mal schwächer pulsiert. Kohlenz und zehn ehrenamtliche Rettungsschwimmer haben das Naturschauspiel vom Ufer aus beobachtet. "So etwas habe ich in den vergangenen 40 Jahren im und am See erst zweimal erlebt."

Die Windhose, die man über einem Gewässer auch als Wasserhose bezeichnet, saugt das Wasser aus dem See bis zur Wolkenuntergrenze an. Bayernweit erfasst der Wetterdienst durchschnittlich nur drei bis vier Tornados im Jahr, Wasserhosen inbegriffen. Insbesondere im Herbst, wenn die Luft deutlich abkühlt, kommt es zu "labil geschichteten" Luftschichten, wie die Meteorologen die Ausgangslage beschreiben. So brachte am Sonntag ein Höhentief aus Südtirol kalte Luft ins Fünfseenland, die Temperaturen kühlten auf neun Grad Celsius ab. "Der See aber war noch deutlich wärmer", erklärt Jens Kühne vom Deutschen Wetterdienst in München.

Die Luft ströme in der Folge entsprechend schnell auf und verwirbele dabei. Laut Kühne entstehen dabei gemeinhin Geschwindigkeiten bis zu 60 Stundenkilometern. Wie schnell der Tornado vom Sonntag war, ist unklar - DLRG-Chef Kohlenz schätzt ihn aber als wenig stark ein. "Ich denke nicht, dass ein Schwimmer ernsthaft bedroht gewesen wäre, wenn er in den Sturm geraten wäre." Grundsätzlich aber fügt er hinzu, sei mit solchen Tornados nicht zu spaßen.

Kurz darauf passiert ein Dampfer die Windhose

Nachweislich hat sich zuletzt Anfang September vor zwei Jahren ein Luftwirbel in vergleichbarem Ausmaß über der Wasseroberfläche gebildet - auch damals konnten DLRG-Mitglieder den Wirbelsturm beobachten. Die Dunkelziffer der lokalen Wirbelstürme dürfte allerdings deutlich höher liegen, schätzt das regionale Klimabüro des Wetterdienstes. Denn kleine Wirbelstürme, die in der Fläche kaum wandern, erfassen die Radare nicht. So ist auch der Wirbelsturm vom Sonntag bei Leoni nicht als solcher aufgezeichnet. Auf den Bildschirmen sind laut Kühne für den besagten Zeitraum lediglich schwach wandernde große Regenwolken zu sehen. "Umso dankbarer sind wir für Meldungen solcher Phänomene", sagt der Wetterforscher. Für den Montag hat der Wetterdienst - auch aufgrund der Nachricht vom Starnberger See - sogleich eine Starkwindwarnung für den Chiemsee, Waginger See und Simsee erlassen. "Die Wetterlage hat sich ja kaum verändert", so Kühne.

Während die Rettungsschwimmer die Fontäne am Sonntag aus sicherer Entfernung vom Ufer aus beobachtet haben, hatten die Gäste und der Kapitän der "Seeshaupt" die Logenplätze auf das seltene Naturereignis. Laut Kohlenz querte das Ausflugsschiff just in diesen Minuten den See in Richtung Leoni. Nach etwa zehn Minuten habe sich das Naturschauspiel im starken Regen über dem leer gefegten See wieder aufgelöst. Schäden gab es keine.

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SZ vom 10.09.2019/abec
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