Süddeutsche Zeitung

Schondorf:Ein Kühlschrank für alle

Um Lebensmittel zu retten, hat die Gemeinde im Innenhof des Rathauses ein Projekt gestartet: Jeder kann geben und nehmen.

Von Armin Greune

Der durchschnittliche Deutsche wirft jährlich 85 Kilogramm Essen in den Müll. Einer Berechnung der Universität Stuttgart zufolge werden einschließlich der Abfälle von Landwirten, Verarbeitern, Handel und Gastronomie 12,7 Millionen Tonnen Lebensmittel im Jahr vernichtet, mehr als die Hälfte davon aus Privathaushalten. Angesichts dieser maßlosen Verschwendung haben sich in Städten Foodsharing-Initiativen oder sogar illegale Praktiken wie Containern etabliert. Für die Lebensmittelrettung im ländlichen Bereich beispielhaft ist das Projekt "Schondorfer Kühlschrank", das nun aus Mitteln des Bürgerbudgets umgesetzt wird.

Seit Samstag steht im Innenhof des Rathauses ein frei zugänglicher Kühlschrank. Daraus darf sich jeder gratis bedienen, oder man kann ihn mit genießbaren, aber nicht mehr verkäuflichen Lebensmitteln befüllen. Die ersten Vorräte wie fleckige Bananen oder vom Ablauf bedrohte Eier, Joghurt oder Fertigsalate hat ein Uttinger Supermarkt gespendet. Frische Viktualien steuert das Projekt "Schondorfer Gemüsegarten" bei: Auch diese Initiative, die westlich des Orts gemeinsam einen Acker bestellt, ist aus dem Schondorfer Bürgerbudget hervorgegangen, Projektpaten sind David Bensmann und Esther Koktanek.

Im Vorjahr hatte der Gemeinderat erstmals 10 000 Euro bereitgestellt, um Ideen aus der Bürgerschaft zu realisieren. Auf die Frage "Was machst Du mit 1000 Euro?" gingen 26 Vorschläge ein. Auf Rang zwei der Schondorfer Prioritätenliste wurde die "Abgabestelle zur Rettung von Lebensmitteln", kurz auch "Fairteiler" gewählt. Die mit 700 Euro budgetierte Idee stammte von Eva Maria Zotter, die seit 2016 im Landkreis Landsberg die Foodsharing-Community leitet. Die Botschaft der Schondorferin lautet: "Lebensmittel sind zu wertvoll, um vernichtet zu werden!" Die von ihr als Patin betreute Aktion in Schondorf stehe nicht in Konkurrenz zu den Tafeln, die Essen nur an Bedürftige weitergeben: "Unser Kühlschrank steht jedem zur Verfügung, dem die Rettung von Lebensmitteln ein Anliegen ist." Der Kühlschrank wurde mit Haushaltsmitteln der Gemeinde gekauft, den Stromanschluss an einem wettergeschützten Platz ließ Bürgermeister Alexander Herrmann installieren.

Die Inbetriebnahme kam genau richtig zum Höhepunkt der örtlichen Gemüsegartenernte und der Ferien: Für manche Familie, die nun verreisen will, ist der Kühlschrank eine willkommene Gelegenheit, Lebensmittel vor dem Verfall zu retten. Im Anschluss an die Eröffnung wurden auf einem Rundgang der Garten und zwei weitere Bürgerbudget-Projekte vorgestellt: Ein Aschenbecher für den Gemeindesteg und das Bücherregal in der Bahnhofshalle, das Patin Sabine Pittroff unter das leicht verständliche Motto "Nimm eins, bring eins" gestellt hat. Auf Rang eins der Ideen aber steht die mit nur 400 Euro budgetierte "See-U-Initiative für ein Mehr an Miteinander am Schondorfer Seeufer". Sie ist vor allem virtuell aktiv und versteht sich als ergebnisoffene Ideensammlung, wie die Promenade für die Bürger erlebbar gestaltet werden kann. Obwohl auf einer Uferlänge von etwa zwei Kilometern 40 000 Quadratmeter in öffentlichem Eigentum sind, haben die Schondorfer nur auf etwa 20 Metern Länge Zugang.

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Quelle:
SZ vom 11.08.2020
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