Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Draußen picken kostet 3400 Euro

Landwirt Rudolf Heidrich soll für einen mobilen Hühnerstall eine Sondergebühr zahlen, weil dieser das Landschaftsbild beeinträchtige. Dagegen klagt der Bauer.

Von Carolin Fries, Krailling

Rudolf Heidrich kann es einfach nicht verstehen. Der Landwirt aus Frohnloh steht an diesem Novembermorgen inmitten seiner Hühner, die sich rund um einen mobilen Stall scharen. Hühnerbeine und Gummistiefel versinken im aufgeweichten Boden, "die Witterung um diese Jahreszeit ist ein Graus", sagt Heidrich. Erst seit wenigen Wochen hat er 1000 Hühner draußen auf der Wiese, "der Trend geht zum Freiland- und Bio-Ei", sagt er. Der knapp 17 Meter lange Stall auf Rollen ist sein ganzer Stolz. Doch die Freude auf dem Hof ist getrübt: 3400 Euro soll Heidrich laut Genehmigungsbescheid aus dem Landratsamt zahlen. Durch die Gebäude- und Einzäunungswirkung würde das Landschaftsbild beeinträchtigt. Der Eingriff sei damit ausgleichspflichtig.

Heidrich hat gegen den Genehmigungsbescheid geklagt. Es ist seine erste Klage überhaupt, er sei eigentlich kein Streithansel. "Aber man muss sich nicht jeden Blödsinn uneingeschränkt bieten lassen", sagt er. Er ist der Meinung, dass ein Hühnerstall keine Beeinträchtigung für die Landschaft ist. "Alle wollen Freilandeier", sagt er, "dann müssen die Hühner auch draußen laufen können." Er hat alle Nachbarn gefragt und sie den Bauantrag unterschreiben lassen. Landwirtschaft, das weiß er wohl, ist auf dem Dorf eine Frage des Miteinanders.

In Frohnloh leben mehr Tiere als Menschen. Den etwa 150 Einwohnern stehen allein auf Heidrichs Hof 2000 Hühner gegenüber, 1000 davon ein paar hundert Meter ausgelagert auf einer Wiese mit dem mobilen Stall. "Wir haben absichtlich einen Platz an der Straße gewählt, damit der Kunde die Hühner sieht", sagt er. Ist der Boden nicht mehr brauchbar für die Haltung, zieht er den Stall einfach weiter, steckt den Zaun neu ab. Ein paar Ziegen im Gehege sollen den Habicht abschrecken. "Das ist schon arbeitsintensiver", sagt er. Doch die Eier, die je nach Gewichtsklasse zwischen 29 und 35 Cent kosten, seien gefragt. Nicht nur aus Gauting und Krailling kämen die Kunden zum Hofladen, sondern auch aus Lochham, Gräfelfing oder Weilheim. Die etwa 1500 Eier, die die 2000 jeden Tag legen, sind "fast schon wieder zu wenig", sagt Heidrich.

Auch an diesem Morgen stehen Menschen mit leeren Eierschachteln in der Schlange und empören sich über die geforderte Zahlung. "Was kommt als nächstes?", fragt ein älterer Mann. "Dass der Bauer für die Kuh auf der Weide zahlen muss?" Die Dame neben ihm schüttelt den Kopf. "So ein Schmarrn", sagt sie.

Heidrichs Geld soll in den Umweltfond gehen, "grundsätzlich eine gute Sache", wie der Landwirt sagt. Doch habe er den Eindruck, dass nicht alle Bauern zahlen müssen. Heidrich hat sich in Weilheim, Dachau und Wolfratshausen umgehört, "niemand hat zahlen müssen", sagt er. Auch Michele Tirabasso, der nahezu zeitgleich einen mobilen Stall für 1450 Hühner in Buchendorf bei Gauting in Betrieb nahm, sagt: "In meinem Bescheid stand davon nichts drin".

Dem widerspricht Landratsamts-Sprecher Stefan Diebl. Alle privilegierten Bauvorhaben im Außenbereich seien ausgleichspflichtig. Dafür gäbe es verschiedene Möglichkeiten, unter anderem die Eingrünung des Baus. "Das scheidet bei einem mobilen Stall aus, deshalb die Ausgleichszahlung", sagt Diebl. Die Höhe der Zahlung bemesse sich nach der Kompensationsverordnung mit zwei bis neun Prozent der Bausumme, "der Landkreis Starnberg setzt da ganz unten an".

Für Rudolf Heidrich heißt es nun abwarten. Er rechnet frühestens in einem Jahr mit einem Urteil. Den Streitwert habe das Verwaltungsgericht auf 5000 Euro festgesetzt, eine entsprechende Bearbeitungsgebühr hat der Landwirt bereits überwiesen.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2017
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