Landwirtschaft:Die Mädels vom Wunderl-Hof

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Am Weßlinger See wird die Jubiläumsausgabe des "Jungbauernkalenders" produziert - eine besondere Form der Imagewerbung.

Von Christine Setzwein, Weßling

Sigi ist ziemlich neugierig. Das Teil, das da vor ihrer Nase steht, hat sie noch nie gesehen und ist viel spannender als die vielen Menschen, die sich an diesem Tag auf dem Wunderl-Hof in Weßling tummeln. Der große Reflektor hat eine Metallstange und ein Kabel, das Sigi genüsslich ableckt - bis Andreas Kugler das teure Fotografenzubehör in Sicherheit bringt vor dem Kälbchen mit den Kulleraugen und den seidigen Wimpern. Sigi muss sich ein anderes Spielzeug suchen.

Andreas Kugler, Generalsekretär der Österreichischen Jungbauernschaft, ist an diesem Mittwoch extra nach Bayern gekommen, um zusammen mit der Bayerischen Jungbauernschaft und den sechs bayerischen Models auf den "Jungbauernkalender 2020" einzustimmen. Der soll diesmal etwas ganz Besonderes werden, handelt es sich doch um die 15. Auflage in Bayern und die 20. in Österreich. "Die Österreicher haben ihn erfunden", meinte denn auch Andreas Ganal, Landesgeschäftsführer der Landjugend Bayern.

Beim Presseshooting in Weßling mit den sechs jungen Landwirtinnen aus Ober- und Niederbayern, Oberfranken, Schwaben und der Oberpfalz durften sich die vielen Fotografen fühlen wie Dieter Sajovic und Jana Scherr. Das steirische Fotografenduo, das sich "Die Abbilderei" nennt, ist für die Jubiläumsedition des Jungbauernkalenders verantwortlich, die auf dem Wunderl-Hof entstand. Die insofern etwas Besonderes ist, weil die Grundmotive vorgegeben waren: Fans des Jungbauernkalenders wählten im Internet ihre Lieblingsfotos der vergangenen 15 Jahre aus, die nun nachgestellt wurden. Das Beste neu interpretiert, lautet das Motto. "Wir sind sehr glücklich mit der Auswahl der Models", meinte Sajovic und lobte "die tolle Location". Mehr als 170 junge Frauen hatten sich heuer beworben - und konnten ankreuzen, ob sie sich mehr oder weniger oder überhaupt nicht vor der Kamera entblößen wollen.

Maria Wunderl wollte es nicht. Trotzdem war die 25-Jährige 2018 Kalendergirl, und das ganze Drumherum hat ihr so viel Spaß gemacht, dass sie danach ihren Hof in Weßling angeboten hat als Location für Fotoaufnahmen. Ein Vorzeigehof seit vielen Jahren mit vielen Tieren auf der Weide und modernen Ställen. 2010 haben Annemarie und Anton Wunderl auf Biobetrieb umgestellt. Schon 2013 haben sie den Hof an Sohn Benedikt übergeben. Der war damals est 24 Jahre alt. Viele hätten ihnen abgeraten davon, erzählt Annemarie Wunderl, aber sie und ihr Mann wollten loslassen und der Jugend eine Chance geben. Bereut haben sie es nicht. Die Eltern helfen zwar noch mit auf dem Hof, aber Mama Annemarie kümmert sich vor allem um ihre sieben Ferienwohnungen und drei Gästezimmer direkt am Weßlinger See. Als Schwiegertochter Maria sie vor zwei Jahren gefragt habe, ob sie sich als Model für den Jungbauernkalender bewerben solle, habe sie gleich ja gesagt, ihr aber geraten, sich nicht auszuziehen. Maria hielt sich daran.

Viele der 110 Milchkühe sind an diesem Mittwoch auf der großen Weide des Wunderl-Hofs. Sie haben alle Namen. Die Milch wird an die Biomolkerei Scheitz in Andechs geliefert. Die jungen Eheleute Maria und Benedikt Wunderl - erst vor zwei Wochen haben sie kirchlich geheiratet - leben in einem schmucken Neubau. Maria arbeitet noch im Autohaus ihrer Eltern. Darauf, dass seine Frau selbst Kalendergirl war, ist Benedikt sehr stolz. Und dass das Fotoshooting für den Kalender 2020 auf seinem Hof stattfand und jetzt der Pressetermin mit den Models, freut ihn ebenso. "Sind ja alles sehr nette Mädchen", meint er. Die netten Mädchen posieren nun in weißen Shirts und blauen Shorts, in High Heels oder Ballerinas vor den Fotografen. Ein bisschen Erotik soll schon dabei sein, wenn sie in einem Traktor sitzen, auf einem Baum mit der Säge hantieren oder ein Kalb streicheln. Fotograf Dieter Sajovic leitet an. "Magst einsteigen und die Tür aufmachen?", sagt er zu Tanja aus Niederbayern, die mit ihren silbernen High Heels problemlos den Traktor erklimmt. "Fein, passt." Das Leben in der Landwirtschaft in sinnlichen Posen zu zeigen, das ist die Absicht des Jungbauernkalenders. Mal mit Tieren, mal in Alltagssituationen. Natürlichkeit, Charisma und Individualität sollen dem Kalender Charme geben. "Landwirte in einem anderen Licht zu präsentieren", das sei die Absicht, sagte Benedikt Jall, der stellvertretende Landesvorsitzende der Bayerischen Jungbauernschaft. "Jung, modern, dynamisch und sexy" wolle man die jungen Landwirte zeigen, meinte Kugler.

Der Jungbauernkalender 2020 wird am 12. Oktober vorgestellt und kostet 28 Euro. Die Auflage liegt bei 3500 Stück. "Wir verdienen damit nichts", sagt Andreas Ganal. "Für uns ist das reine Imagewerbung."

© SZ vom 21.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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