Landkreis Starnberg:Wildschweine pflügen durchs Fünfseenland

Sie verursachen Unfälle und verwüsten Äcker: Wildschweine treiben im Fünfseenland ihr Unwesen. Nun fordert ein Landwirt Schadensersatz.

Armin Greune

Am Dienstag ist eine Wildsau einer 66-jährigen Dießenerin zwischen Söcking und Perchting gegen das Auto gerannt. Die Frau blieb unverletzt, das Tier flüchtete in den Wald, der Wagen war demoliert. Im Landkreis Starnberg fordert erstmals ein Bauer Entschädigung von Jagdgenossen, weil eine Rotte seinen Kartoffelacker verwüstete. Das seit einigen Jahren beobachtete Vordringen des Schwarzwilds führt im Fünfseenland immer häufiger zu Problemen.

Landkreis Starnberg: Während diese Bache mit ihren Frischlingen beim Wühlen im Wald den Boden verbessert, hinterlassen Rotten auf Äckern verheerende Schäden.

Während diese Bache mit ihren Frischlingen beim Wühlen im Wald den Boden verbessert, hinterlassen Rotten auf Äckern verheerende Schäden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis es auch hier zur ersten Kollision zwischen Sauen und Verkehr kommt, bei der Menschen schwer verletzt werden. Im Vorjahr verendete bei Weßling eine 70 Kilogramm schwere Bache beim Aufprall gegen ein Auto - zum Glück ein Lastwagen. Und heuer verzeichnete die Gautinger Polizei einen Schwarzwildunfall mit einer leicht verletzten Person. Nachdem die Tiere im Fünfseenland jahrzehntelang ausgestorben waren, erobern sie es zurück: 2002 wurden im Landkreis Starnberg fünf Sauen erlegt, seit 2008 sind es jährlich rund 150 Tiere. Heuer ist mit besonders starkem Zuwachs zu rechnen, weil 2009 ein "Mastjahr" der Waldbäume mit Eicheln und Bucheckern die ohnehin hohe Reproduktionsrate beflügelt haben. Allein vergangenen Monat wurden landkreisweit 27 Wildschweine erlegt.

Schon fordert Georg Zankl, Kreisbauernobmann der Bauern, das Primat von Wald vor Wild und höhere Abschusszahlen. Im April ist der erste Fall im Landkreis aktenkundig geworden, bei dem ein Landwirt sich an Jägern schadlos halten will: Schwarzwild hat bei Oberbrunn mehr als zehn Hektar Acker verwüstet. Wie hoch der Ausfall an hochwertigen Speisekartoffeln und somit die Schadensersatzsumme wird, ließe sich erst bei der Ernte feststellen, sagt der Oberbrunner Jagdaufseher Christian Gick. Die Jagdgenossenschaft habe sofort reagiert, eine Kanzel am Acker aufgebaut und zwischen Wald und Kartoffeln einen Elektrozaun installiert. Um die Besuchszeiten der Säue zu ermitteln, sei nachts ein mit Sensor und Uhr versehener Köder ausgelegt worden. Schließlich konnte man auch eine Sau erlegen, berichtet Gick: "Das bleibt aber ein totales Zufallsprodukt, man muss ewig lang ansitzen."

Das bestätigt Ludwig Fesenmeier, stellvertretender Jagdberater am Landratsamt. Der 64-jährige Weßlinger geht seit 25 Jahren auf Schwarzwildjagd und nennt sie "eine sehr zeitraubende Angelegenheit": Bis zu acht Stunden müsse man nachts ansitzen, um zum Schuss zu kommen. Der Mühsal stehe eine wenig attraktive Beute gegenüber: Wer das Wildbret verkaufen will, muss Auflagen erfüllen und es auf Trichinen und Radioaktivität untersuchen lassen. Noch immer werden im Fünfseenland Wildschweine erlegt, deren Fleisch mehr als 600 Becquerel pro Kilogramm aufweist und nicht vermarktbar ist. Die vielerorts empfohlene Drückjagd mit Treibern und Hunden sei im dicht besiedelten Fünfseenland kaum zu organisieren, meint Fesenmeier. Zudem seien zwei Versuche innerhalb von sechs Jahren im Raum Gilching mit bis zu 120 Mann erfolglos geblieben. (Kommentar)

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